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Praktische Theologie: eine Kurzvorstellung

Praktische Theologie ist mit etwa 220 Jahren eine noch verhältnis­­­mäßig junge Disziplin innerhalb der Theologie. Als ihr Begründer gilt Friedrich Schleiermacher (1768-1834). Sie kann als Wissenschaft christlicher Religionspraxis und christlich orientierter religiöser Ausdrucks­­weisen in Kirche und Gesellschaft beschrieben werden. Dabei hat Praktische Theologie also einerseits als Religion eine erlernbare kulturelle Form im Blick, welche Christinnen und Christen miteinander teilen. Anderer­­seits befasst sich Praktische Theologie mit der subjektiven Religiosität, also den individuellen Aneignungs­­­formen des Christentums. Sie wird in Deutschland konfessions­­­gebunden unterrichtet und hier aus evangelischer Perspektive beschrieben.

Arbeitsweise

Als zeitge­nössische Wissenschaft arbeitet Praktische Theologie heute mit aktuellen sozial- und geistes­wissen­schaftlichen Methoden und Konzepten. Sie unter­scheidet sich jedoch von anderen Disziplinen, in deren Focus auch religiöse Praktiken stehen, wie beispiels­weise Soziologie, Religions- und Kultur­­wissenschaft dadurch, dass sie aus dem christlichen Glauben motiviert ist und daher die vorfind­­liche und erfasste christliche Religions­praxis aus einer kritischen Binnen­perspektive reflektiert. Das heißt, sie deutet und hinter­fragt ihren Gegenstand gerade auch in Bezug zu theologischen, teils konfessionell ausgeformten Konzepten, zur biblischen Tradition sowie auf der Basis geschicht­licher bzw. kirchen­geschicht­licher Erkenntnisse. Diese Sichtweise lässt nun nicht allein Beschrei­bungen und Vergleiche zu, sondern ebenso normative Schluss­folgerungen. Für kirchliches Handeln in den Feldern der Gottesdienstpraxis, Gemeindearbeit, Diakonie und christlichen Bildung sind diese wegweisend.

Fachrichtungen

Innerhalb der Praktischen Theologie haben sich die Religionspädagogik und mehr noch die Diakoniewissenschaft als eigenständige Studienrichtungen etabliert, während die für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern im Vordergrund stehenden Fachrichtungen Liturgik (Lehre der Gottes­dienst­gestal­tung), Homiletik (Predigtlehre), Poimenik (Lehre der Seelsorge) und Kybernetik (Lehre kirchlichen Handelns) bzw. Kirchentheorie an den Lehrstühlen für Praktische Theologie meist im Vordergrund stehen. Als Fachgebiet hinzu kommt heute vermehrt auch die christliche Publizistik. Die Aszetik (Spiritualiäts- /Frömmigkeits­lehre) ist dagegen im Protestan­tismus eine eher kleine Fachrichtung, die nicht an jeder Theologischen Fakultät eigenständig unterrichtet wird. Und christliche Lebens­praxis jenseits von Kirchen­zuge­hörigkeit rückt erst allmählich mit dem sozio­kulturellen Wandel sowie sinkender Kirchen­mitglieds­zahlen in Deutschland in den Focus praktisch-theologischer Forschung. Diese thematische Ausrichtung erfordert dann auch den stärkeren Einbezug religions­wissen­schaftlicher, kultur­wissen­schaftlicher und religions­soziolo­gischer Perspek­tiven, die als eigene Fach­gebiete wie auch die Religions­psychologie der Praktischen Theologie unver­zichtbares Grund­lagen­wissen zur Verfügung stellen. Sie sind selbst jedoch keine Teil­diszi­plinen der Praktischen Theologie. So ist die Heraus­forderung, den eigenen Gegenstand aus unter­schiedlichen theolo­gischen und unter­schiedlichen nicht-theologischen Perspek­tiven sachkundig in Augenschein nehmen zu können, in Praktischer Theologie fast ständig präsent.

Aufgabe

Zusammen­fassend kann als Aufgabe der Praktischen Theologie genannt werden: zum einen vorfind­liche auf christliche Religion bezogene Praktiken zu untersuchen, theoretisch zu beschreiben, zu deuten und kritisch zu hinter­fragen, insbe­sondere in Bezug auf ihre Verant­wort­barkeit gegenüber dem im biblischen Zeugnis über­lieferten Evangelium, gegenüber ihrer Funktion für die Einzelnen in Kirche und Gesellschaft wie auch für Kirche und Gesellschaft als über­indivi­duelle Strukturen. Zum anderen geht es darum, Ansätze, Konzepte und konkrete Modelle für die aktuale wie zukünftige Gestal­tung von Praktiken, die auf christliche Religion bezogen sind, zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.

Literaturhinweise

Fechtner, Kristian / Hermelink, Jan / Kumlehn, Martina / Wagner-Rau, Ulrike: Praktische Theologie. Ein Lehrbuch, Stuttgart 2017 (Dieser Band bietet eine gut aufbereitet und erfass­bare Übersicht zu Querschnitts­themen und Handlungs­feldern der Praktischen Theologie, die auch jenseits von Studien­­zwecken für die Orientierung im Fach empfehlens­wert ist. Die Autoren und Autorinnen haben sich die Abschnitte des Bandes nach ihren jeweiligen Schwerpunkt­themen aufgeteilt, sich vergleichs­weise kurz gefasst und für einen Abschnitt zur Diakonik als Autoren Tobias Braune-Krickau einbezogen.)

Karle, Isolde: Praktische Theologie. Reihe: Lehrwerk Praktische Theologie, Bd. 7, Leipzig 2020. (Diese neue und umfang­reiche Gesamt­darstellung des Faches hat einen inter­disziplinären Zuschnitt, sozial­wissen­schaftliche Analysen gehen der theologischen Reflexion voraus.)

Grethlein, Christian: Praktische Theologie, Berlin 2012 (Dieses Studienbuch bietet einen Gesamt­überblick zur Praktischen Theologie. Es nimmt die von Ernst Lange stammende Bestimmung von Gegenstand und Ziel des Fachs als „Kommunikation des Evangeliums“ zum Schlüssel der Darstellung und unterscheidet einzelne Modi dieser Kommunikation. Das Werk ist über­sichtlich, gut verständlich, baut allerdings auch auf formelhafter Darstellungs­logik auf.)

Grethlein, Christian / Schwier, Helmut (Hg.): Praktische Theologie. Eine Theorie und Problem­geschichte, Leipzig 2007. (Für die ernsthafte, intensivere Ausein­ander­setzung mit Praktischer Theologie ein ausnehmend gelungener und relevanter Band.)

Seitenfenster der Klosterkirche Riddagshausen, Braunschweig.

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