Pause
Aufgrund intensiver Arbeit an der hier im Hintergrund stehenden Forschung zu Räumen gedächtnisbezogener Praktiken zwischen Kunst und Religion pausiert diese Seite. Bis voraussichtlich November 2023 werden keine neuen Beiträge erscheinen.
Exemplarisches zum Nachdenken und Anknüpfen Konkrete Praktiken aus dem Feld der Erinnerungspraktiken zwischen Kunst und Religion
In dieser Rubrik finden Sie Portäts und Berichte zu Veranstaltungen, Persönlichkeiten oder Initiativen aus dem Feld der Erinnerungskultur zwischen Kunst und Religion.
Aus Anlass der aktuellen Corona-Situation empfehlen wir hier ein Video von Cornelia Kestner, einer Künstlerin, die sich in ihrem Werk intensiv mit dem Thema des Erinnerns auseinandersetzt und auch an der unten vorgestellten formare-Ausstellung beteiligt war. Ihre Arbeit wird im Beitrag des letzten Vierteljahres von Oktober 2020 bis Januar 2021 zur Formare 2017 in Rostock vorgestellt. Das Porträt von Andrea Schürgut finden Sie über den nachfolgenden Link ebenfalls weiterhin als PDF-Datei: Angewandt Kunst und Trauerbegleitung.
Eine Änderung: Der zum 1. Juni 2021 hier angekündigte Artikel zu Gedenken an die Wendezeit: Weltliche Kunst in der Lassaner Kirchengalerie wird als Thema des MonatsJuli unter Theologie parktisch erscheinen. Hier lesen Sie stattdessen einen ausführlichen Beitrag zum Thema Kunst der Erinnerung, der eine praktische mit einer theoretischen Perspektive verbindet.
Kunst der Erinnerung
Dieser Beitrag entspricht abzüglich kleiner Änderungen dem Aufsatz: Antje Mickan: "Sterblichkeit und Lebensfluss", in: Wunderkammern des Lebens. Das Kolumbarium DIE EICHE wird zum Erinnerungsort für eine neue Abschiedskultur, Lübeck 2020, S. 52-61.
Räume transzendenter Wirklichkeit zeigen
Eine Ästhetik oder Kunst der Erinnerung hat mit ihren Werken zum Totengedenken und Todesgedenken auf Friedhöfen einen selbstverständlichen Ort. Gräber – mehr oder weniger kunstreich angelegt – „kommunizieren“ Identitätszeichen der Verstorbenen: wer waren sie, mit wem verbunden wurden sie wie erlebt und was soll von ihnen im Gedächtnis quasi lebendig bleiben?[1] Dies geschieht über Gestaltungselemente mit kulturell tradierter Bedeutung oder mittels einer individuellen, teils nur für Angehörige aufschlussreichen Formensprache. Eine solche Ästhetik zeigt selten Eindeutiges, sondern weckt vielmehr beim Betrachten Assoziationen in verschiedener, aber nicht beliebiger Richtung. In dieser Hinsicht ist selbst das namenlose Rasengrab keinesfalls bedeutungslos und lenkt bei seinem Anblick auch diejenigen Friedhofsgäste, die keine Erinnerung an konkrete Personen damit verbinden, leicht zu Gedanken an Werden und Vergehen schlechthin.[2] Über die Einbindung von Grabanlagen in Landschaftsarchitektur können Zeichensysteme entworfen werden, die als Spiegel einer anderen Welt verstehbar sind.[3] Und neben dem personenbezogenen Grab- bzw. Erinnerungsmal ist das zweite, im funeralen Raum auffällige Sujet, für dessen Umsetzung immer wieder auch Künstlerinnen und Künstler engagiert werden, eben ein Memento mori. Es gilt den Lebenden – mit dem Effekt, dass diese von einem imaginierten Todeszeitpunkt aus auf das gewesene ebenso wie auf das noch erwartete eigene Leben „zurück“ schauen und sich kritische Fragen stellen: Was kann der Mensch hoffen, wünschen, fürchten, in solch einem Moment an der Schwelle zum Tod zu erkennen? So kommt an ästhetisch gestalteten Begräbnis- bzw. Beisetzungsorten einerseits die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit und an bestimmte Verstorbene in Fragen und ästhetischen Antworten zum möglichen Sein der Toten zusammen. Andererseits werden aber auch Lebensweisheiten kommuniziert. Die Künstlerin Rune Mields beispielsweise hat in der Künstler-Nekropole im Habichtswald bei Kassel ihre eigene Grabanlage als einen plastischen Aphorismus über die menschliche Existenz gestaltet: „La vita corre come rivo fluente“ (Das Leben verläuft wie ein fließender Fluss) ist auf einem eckig-kurvigen Weg aus Marmorquadern mit Blattgoldbuchstaben zu lesen.[4] Diese Weisheit charakterisiert in treffender Weise zugleich eine zentrale Eigenschaft von Gedächtnis und Erinnerung, mit der wir uns im Weiteren befassen wollen: Fluidität.
Jenseits von Sepulkralkultur fällt im öffentlichen Raum Kunst zur Erinnerung an bestimmte Ereignisse von gesellschaftlicher Bedeutung auf, wobei solche Werke mit der Funktion von Denkmalen[5] nicht nur in der bildenden Kunst, sondern etwa auch in der Musik,[6] Theater[7] oder im Tanz[8] zu finden sind. Dieser Beitrag wird sich allerdings auf das besondere Potential bildender Kunst als Medium der Erinnerung – und zuvor noch als ein Medium zum Verdeutlichen von Funktionsweisen und Eigenheiten des menschlichen Gedächtnisses – konzentrieren.[9]