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Psychodrama ist ein Ver­fahren, das die große Band­breite mensch­licher Ausdrucks­fähig­keit nutzt und dabei einen Schwer­punkt auf zeichen­haftes Handeln legt. Es ist in seinen Anfängen vom Stehgreif­theater her inspiriert, von Jacob Levy Moreno (1889-1974) für thera­peutisches Arbeiten entwickelt worden und kommt heute in viel­fältigen Feldern zum Einsatz, wo Menschen mitein­ander lernen, auf der Suche nach Verstehen sind, neue Rollen auspro­bieren oder Erfahrungen teilen wollen.

Wesentliches Instrument des Psycho­dramas ist die Bühne. Dabei handelt es sich in den seltensten Fällen um eine bauliche Ein­richtung wie im Theater, sondern meist um eine für das Spiel vorrüber­gehend frei­geräumte Fläche. Wo eine Bühne eröffnet ist, hat das zentrale methodische Prinzip des Psycho­dramas Geltung: Die sogenannte Surplus Reality. Was in dieser Bühnen-Wirklichkeit zur Darstel­lung kommt, folgt weniger den Logiken von Natur­gesetzen oder strikten sozialen Konven­tionen, sondern bringt eine Welt der Vorstellung, Erinnerung und Phantasie mit einer all­täglich erfahrenen Handlungs­welt spielerisch zusammen. Hier können Prota­gonistinnen Szenen aus Vergangen­heit, Gegenwart oder Zukunft einrichten, in Rollen des eigenen Lebens handeln, für sich ganz neue Rollen erfinden, im Zusammen­spiel mit Gruppen­mitgliedern auspro­bieren und immer wieder auch einen Rollen­tausch mit einem Antagonisten wagen.

Bei der Technik des Rollen­tauschs findet ein weit­gehender Perspektiv­wechsel statt. In einer Inter­akti­ons­­szene begibt sich der Protagonist in die Rolle und Position seines Gegenübers, während eine andere Person vorüber­gehend die Darstel­lung des Protagonisten übernimmt, so dass dieser im Rollen­tausch nun quasi sich selbst vor Augen hat. Es ist oft frappierend, wie weit die Ein­fühlung in ein anderes Ich auf diese Weise gelingen und welche erhellende Wirkung dadurch erzielt werden kann.

Weitere grund­legende Techniken des Psycho­dramas sind das Doppeln und Spiegeln. Beim Doppeln spricht ein Gruppen­mitglied oder die Spiel­leitung aus der Ein­fühlung in die Rolle der Protago­nistin einen Gedanken aus, den die Protago­nistin als für sich selbst zutreffend auf­nehmen, ignorieren oder auch darauf mit veränderter Aktions­weise reagieren kann. Beim Spiegeln wird der Prota­gonist zum Beobachter seines eigenen Rollen­spiels, das ihm – meist mit angemessen über­triebener Aus­führung – von Gruppen­mitgliedern gezeigt wird.

Der Einsatz dieser drei Grundtechniken erfordert eine große Sensibilität durch die Leitung und darf den Spielenden auf der Bühne nicht aufge­zwungen werden.

Die Dynamik des Psycho­dramas, sein Spielwitz, der oft auch über als traurig oder schamvoll erfahrene Lebens­szenen gemeinsam lachen lässt, entspringt seinen Trieb­federn Spontaneität und Kreativität. Sie kommen im Spiel zunehmend befreit zum Einsatz und ermög­lichen Erfahrungen, die allein wort­sprachliche Kommuni­kation nicht erreichen kann.

Das spielerische Wesen (homo ludens, Johan Huizinga) und zeichenbildende Wesen (homo symbolicus, Ernst Cassirer) Mensch kann sich im Psycho­drama mit den ihm ureigenen Mitteln selbst neu entdecken.

Literaturhinweise

Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, Wiesbaden, erscheint zwei Mal im Jahr, Themenhefte und Sonderhefte. (Die Ausgaben dieser Zeitschrift sind ein so reichhaltiger Fundus für Anwenderinnen und Anwender in Pädagogik, Psychologie, Organisations­entwicklung, Sozialarbeit, Theologie und Beratung, dass ich hier nicht Einzelnes herausheben will, sondern statt­dessen den Link zum Archiv beim Springer-Verlag empfehle:

Themenhefte: psychodramazeitschrift.com/archiv.php

Sonderhefte: psychodramazeitschrift.com/sonderhefte.php.)

von Ameln, Falko / Gerstmann, Ruth / Kramer, Josef (Hg.): Psychodrama, 2., über­arbeitete und erweiterte Auflage 2009. (Ein umfang­reiches, fundiertes, ebenso gut struk­turiertes wie lesbares Lehrbuch, das einen breiten Zugang bietet.)

Stadler, Christian / Kern, Sabine: Psychodrama. Eine Einführung, Wiesbaden 2010. (Autor und Autorin halten sich an ihr Vorhaben, eine über­schaubare Einführung zu verfassen. Gut verständ­lich und anschaulich werden wesent­liche Grundlagen und auch Anwendungs­felder bzw. -formate des Psychodramas vorgestellt.)

Leuz Grete Anna: Das klassische Psycho­drama nach J. L. Moreno, Berlin 1974. (Dieses Werk von einer direkten Schülerin Morenos ist selbt zu einem Klassiker geworden und ist in vielen Bibliotheken noch ausleihbar. Für Psycho­dramafans: Pflicht­lektüre!)

Schaller, Roger: Das große Rollenspiel-Buch. Grund­techniken, Anwendungs­formen, Praxis­beispiele, 2. Auflage, Weinheim und Basel. (Ein psycho­dramatisch orientiertes Anwendungs­buch für alle, die in Bildungskontexten, Trainings oder Schulungen mit Gruppen arbeiten. Sehr anschaulich, angemessen theoretisch fundiert, mit praktikablen Anleitungen.)


Was ist Soziometrie?

Neben dem Psychodrama hat J. L. Moreno auch die Sozio­metrie begründet. Sozio­metrische Techniken gehören fest in das Repertoire jeder psycho­drama­tischen Leitung und geben der sozialen Dimension (nicht nur) psycho­drama­tischen Arbeitens eine besondere Greif­barkeit und Anschaulichkeit. Eine Kurzvorstellung dieses Verfahrens finden Sie auf der folgenden Seite.

 

 

Fachverband

Weitere Informationen über Veran­staltungen, Psychodrama­tikerinnen und Psychodrama­tiker in Deutschland und  Ausbildungs­angebote finden Sie auf der Website des  Deutschen Fachverbands für Psychodrama (DFP) e.V.

      

Im Januar 2024 geht es weiter.

Keine neuen Angebote bis Anfang 2024.

Erinnerungsfarben steht für kompetente Supervision, kreatives Psychodrama und wissenschaftliches Arbeiten.

Auf Erinnerungsfarben finden Sie fortlaufend neue Beiträge zu Theologie, Psychodrama und Erinnerungskultur.

Beachten Sie die Monatsthemen unter "Theologie praktisch" nun auch im neuen Format Podcast und viertel­jährlich wechselnde Artikel über Exemplarisches aus dem Feld der Erinnerungs­kultur zwischen Kunst und Religion! Im April startet eine Dokumentation über die sozio­dramatische Arbeits­gruppe der DFP-Zukunfts­werkstatt.