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Neues Themenfeld 2025

Vorbemerkung:

Bei den nachfolgenden Darstellungen greife ich auf exkursartig einzuordnendes Texmaterial meiner Forschungsarbeit zu “doing space | doing memory | doing church” zurück, das ich für die Verlagspulikation dieser Arbeit zu einem größeren Teil auskopple und daher hier jetzt schon frei präsentieren kann.

Antje Martina Mickan

Thema: Michael Tippett und sein Oratorium

Eine Vorstellung des Oratoriums “A Child of Our Time” von Michael Tippett mit einem analytischen Blick auf Text und Musik erscheint hier zum 1. November 2025 als Abschluss des Themenschwerpunktes 2025. 

Bis dahin empfehle ich die nachfolgende Darstellung zur Frage, welche persönlichen Erfahrungen und weltpolitischen Ereignisse Tippelt bei der Erarbeitung seines Oratoriums besonders beeiflussten und so eine wesentliche Basis für dessen Entstehung und Gestalt bilden. 

 

 

 

Michael Tippett und sein Oratorium "A Child of Our Time"

„I would know my shadow and my light, so shall I at last be hole“ (Tippett 1941/44)

Der britische Komponist Michael Tippett (1905-1998) hat mit seinem Oratorium „A Child of Our Time“ den Ereignissen, die 1938 der Reichpogromnacht vorausgingen und in unvorstellbar menschenverachtende Verfolgung jüdischen Lebens mündeten, ein musikalisch-poetisches Gedächtnis geschaffen. Die 1941 abgeschlossene und 1944 uraufgeführteKomposition aus Text und Musik steht unter dem Motto „I would know my shadow and my light, so shall I at last be hole“. Tippett nimmt dabei Konzepte christlicher Religionskultur auf und weitet sich in meinem von C.G. Jung inspirierten Ansatz in eine spirituelle Philosophie. Sie ist geleitet von der auch durch Erfahrung erlangten Einsicht, dass mit der Annahme von als “dunkel” oder ungewollt und verborgenen Seiten des eigenen Ichs, der Mensch nicht nur in ein wahrhaftigeres, stärkeres, kreativeres Persönlichkeitsgleichgewicht geraten kann, sondern dass Analoges auch für Kollektive wie Gesellschaften, Kulturen oder Nationen gilt. In einer Zeit eines wieder erstarkenden Totalitarismus ist die Stimme Tippelt ein ungemein wichtiger Beitrag mit kontrafaktiver Kraft, an die hier erinnert werden soll.

Aus künstlerischer Sicht handelt es sich um dasjenige Frühwerk, mit dem Tippett seinen ersten großen Erfolg erlebte, von dem ausgehend er sich musikalisch allerdings über Jahrzehnte hinweg mehrfach neu entwickelte (vgl. die Übersicht der Michael Tippett Musical Foundation). Wie sein Biograph Oliver Soden berichtet, sprach Tippett selbst in späteren Jahren in Bezug auf sein Oratorium öfter vom „silly old Child“, das er im Wissen um die nachfolgenden historischen Ereignisse des nationalsozialistischen Terrors wie auch der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki so nicht hätte schreiben können (vgl. u.a. Soden 2019, S.  346). Es ist aus heutiger Sicht aber durchaus sehr aufschlussreich, gerade dieses aus einer pazifistischen Haltung entspringende Werk im Zusammenhang mit Tippetts biographischer Entwicklung bis zur Uraufführung 1944 in London etwas genauer zu betrachten. Die konkrete kompositorische Arbeit lässt sich zwar auf die Jahre zwischen 1939 und 1941 eingrenzen. Wenn man jedoch auch Tippetts Entwicklung als diejenige eines besonderen Menschen seiner Zeit mit seinen bestimmten Beziehungen und Erfahrungen in den Blick nimmt, zeigt sich eine viel längere, komplexere und gerade heute ungemein spannende Entstehungsgeschichte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Tippett nach einigem Hin und Her (dazu später mehr) das Libretto seines Oratoriums selbst verfasst hat, was  im Übrigen von dort ausgehend für alle seine nachvolgenden Vocalwerken wie etwa den Opern “Midsummer Marriage”, “King Priam” und “The Ice Break” gilt.

Aus welchem Elternaus Tippett kam, welche Erfahrungen in Schule, Hochschule und in einem avantgardistischen Milieu ihn beeinflussten, welche Beziehung gerade auch zu Deutschland seine pazifistische Sicht auf die Ereignisse im Europa der 1930er Jahre beeinflusste und wie sich die Entdeckung seiner eigenen Homosexualität auf seine Kunst befreiend auswirkte, lesen Sie auf dieser Seite als eine Art Fortsetzungsstory, die sie sich eine analytische Auseinandersetzung mit dem Oratorium „A Child of Our Time“ anschließen wird. 

Sinnigerweise beginne ich das erste Kapitel mit Tippetts Herkunft und Kindheit.

 

Frühe Jahre (1905 bis 1922)

Michael Tippett wurde am 2. Januar 1905 in einem Londoner Krankenhaus als zweites Kind von Henry William Tippett (1858-1944) und Isabell Clementina Binny Kemp (1880-1969) geboren.[1] Zusammen mit seinem ein Jahr älteren Bruder Peter wuchs er in Suffolk auf dem Land auf. 

Neben dieser lebenslang bedeutsamen Beheimatung in der englischen „countryside“[2] lernte er schon früh das Ausland kennen, denn seinem Vater, ein Anwalt und Unternehmer, war über Finanzgeschäfte ein Hotel an der französischen Côte d’Azur (Cannes) zugefallen, wo die Familie zumeist ihre Ferien verbrachte.[3] 

Als das Hotel während des Ersten Weltkrieges zur Aufnahme von Verwundeten diente und keine Einnahmen erzielte, verkaufte Henry Tippett das Haus in Suffolk (Rosemary Cottage) und zog 1919 mit seiner Frau ganz auf den Kontinent, zuerst nach Frankreich, später nach Corsika, Italien, Yugoslavien und Deutschland,[4] während die Kinder weiter in England zur Schule gingen.[5] So nahm man in der Familie Tippett-Kemp[6] stärker als für Engländer üblich das Leben auf dem europäischen Kontinent wahr und ermöglichte den Kindern Reisen ins europäische Ausland. Schon mit neun bis zehn Jahren soll Michael bereits ein versiertes Französisch gesprochen haben.[7] 

In seinem Elternhaus kam Michael Tippett früh mit einer kritischen Denkhaltung und einem Engagement für sozial-politische Belange in Berührung.[8] Ian Kemp[9] beschreibt Henry Tippett als einen Agnostiker, der auch bei seinen Kindern ein unabhängiges Denken förderte.[10] Isabell Tippett sei in jüngeren Jahren den Konventionen entsprechend religiös gewesen und habe dafür gesorgt, dass ihre Kinder die lokale Pfarrkirche besuchten, wo Michael gerne zum Singen ging. Sie habe unter Einfluss ihres Mannes später aber ebenfalls eine eher agnostische Haltung vertreten. David Matthews ergänzt zu Isabel Tippetts religiöser Entwicklung: „Later she became a disciple of the theosophist Rudolf Steiner and practised spiritual healing.“[11] Besonders zwischen 1909 und 1923 ist von ihr eine schriftstellerische Aktivität bekannt.[12] Einen besonderen Eindruck wird die Beteiligung seiner Mutter am Kampf für das Frauenwahlrecht in England bei Michael Tippett hinterlassen haben. Aus diesem Grund wurde sie 1913 für zwei Wochen inhaftiert. [13] Vom achtjährigen Michael ist ein Zitat überliefert, in dem er sich argumentativ dazu äußert, dass es unhaltbar sei, den Frauen das Wahlrecht zu verweigern.[14]

Als Kind sei Michael Tippett kürzere Zeit lang überzeugt gläubig gewesen, meint Kemp und schreibt dazu: „he excitedly communicated his feelings to his parents, informing them that they should realise there really was a God and that accordingly they should adapt to his way of thinking. But soon he became an agnostic too – and a precocious one: while still at preparatory school he wrote and circulated a small tract refuting deism.“[15] Als Jugendlicher zeigte er sich in seiner Schule gegenüber religiösen Pflichten widerständig, boykottierte einmal zwei Wochen lang die Hausgebete. Gleichzeitig faszinierten ihn aber laut Kemp katholische Messen mit ihrer Dramatik sowie ihren dramatischen Möglichkeiten.[16] Und Kemp benennt als weitere intensiv verfolgte Interessengebiete dieser Zeit „old furniture, architecture, occultism, pogostickes, mesmerism, drama“[17].

Ein erschreckendes und einsichtsvolles Erlebnis über die Realität des Weltkrieges von 1914-1918 ergab sich für den Teenager 1921,[18] als er mit einigen Freunden die Kinoaufführung des Stummfilms „The Four Horseman of the Apocalypse“ besuchte,[19] mit einem Schlussbild von den Gräberfeldern in Flandern, „endless rows of little white crosses“[20]. Dieser Film brachte ihn zu neuen Einsichten über das tatsächliche Ergebnis vom Auszug junger, singender Männer in den Krieg. Tippett schreib dazu rückblickend: „This fraticidal war in the heartland of Christian Europe was difficult to comprehend: I knew that, as well as identifying with the victims, I must work with others towards ensuring a climate of opinion in which a repetition of such brutalities would never be acceptable.“[21]

Im Umfeld seiner Schule in Stanfort gelangte Michael Tippett ab 1920 mit verschiedenen Musikrichtungen in Kontakt. Einen besonderen Eindruck hat Maurice Ravel’s Suite „Ma Mére l’Oye“ bei ihm hinterlassen. Es handelte sich um das erste Stück aus dem 20. Jahrhundert, das er hörte.[22] Dieses Erlebnis bestärkte vermutlich seinen Wunsch, Komponist zu werden, den er ab 1922 offen kommuniziert, der aber wohl schon aus der Kindheit stammte.[23] Zwar wurde dies in seinem Umfeld zunächst nicht ernst genommen, man war aber der Ansicht, dass eine Ausbildung zum Pianisten im Bereich des Möglichen sei.[24] 


 

Studienzeit und frühe Jahre in Oxted (1923-1937)

1923 erreichte Michael Tippett die Aufnahme an das „Royal College of Music“ (RCM) in London.[1] Als Londoner Musik-Student konnte er nun wöchentlich Konzerte besuchen und seinem Interesse am Theater nachgehen.[2]

Es entstanden in dieser Zeit Verbindungen zu Personen, die sein weiteres Schaffen deutlich mit beeinflussten, insbesondere Francesca Allinson und David Ayerst sind hier hervorzuheben.[3] Allinson war ebenfalls Musikerin und eine Freundin von Tippetts Cousine Phyllis Kamp, die ihm innerhalb seiner Verwandtschaft am nächsten stand.[4] Und in den literarisch-musisch interessierten Zirkeln, an denen Tippett in dieser Zeit teilhatte, lernte er Ende 1926 den Historiker und Journalisten Ayerst kennen.[5] Mit beiden intensivierte sich die Beziehung über sozial-politisch gerichtete Aktivitäten in den 1930er Jahren. 

Für Tippetts Wahrnehmung unentrinnbar waren am College die Kriegsverluste vergegenwärtigt. Eine Liste der Gefallenen des RCM mit 83 Namen stand, wie Soden es beschreibt: „under a fragment of the motto that Wilfred Owen called ‛the old lie: Dulce et decorum est pro patria mori.ʼ“[6] Unter den Studenten des RCM waren auch ehemalige Soldaten des Ersten Weltkrieges, deren physische wie auch psychische Versehrtheit Tippett um ein Weiteres zu denken gab.[7] Direkt, also über das Erlebnis des Kinofilms „The Four Horseman of the Apocalypse“ hinaus, war Michael Tippett bis dahin noch nicht mit Eindrücken von Kriegsfolgen in Berührung gekommen. 

Bei seiner musikalischen Ausbildung sah er Studien des Kontrapunktes für sich als besonders relevant an.[8] Dies führte ihn auch zur Beschäftigung mit liturgischer Musik. Tippett lernte dirigieren und erhielt auf Nachfrage den Kontakt zu einem Chor in Oxted, seinem späteren Wohnsitz von 1929 bis 1951.[9] Als er im Dezember 1928 das RCM mit einem im zweiten Anlauf geschafften Examen verlies, hatte sich für ihn bereits gezeigt, dass seine technischen Fähigkeiten am Klavier nicht für eine Solokarriere ausreichen würden.[10] Stattdessen fasste Tippett den Ausbau seiner kompositorischen Qualität fest ins Auge und fand in Oxted für sich einen geeigneten Ort, wo er – neben seinem Engagement als Chorleiter – als Lehrer für Französisch an der Hazelwood Preparatory School seinen Lebensunterhalt verdienen konnte.[11]

Er entwickelte eine besondere Vorliebe für die Oper, engagierte sich im Theater von Oxted und begann Sequenzen von Musik und Text zu verfassen. Allmählich stellten sich in der Region erste Würdigungen von Tippetts musikalischer Arbeit ein. Sein Chor gewann Preise bei Wettbewerben.[12] Außerdem kam es zu Aufführungen eigener Kompositionen mit einer Besprechung in The Times und in The Daily Telegraph.[13] Ein besonderes Ereignis war für Michael Tippett die Einstudierung und sehr erfolgreiche Aufführung von Händels Oratorium „Messiah“ mit seinem Madrigalchor 1931.[14] Für Georg Friedrich Händel hatte Tippett eine besondere Bewunderung entwickelt, die sich bei dieser Arbeit noch vertieft haben dürfte, was einige Jahre später dann darin resultierte, dass Tippett sich bei der Komposition von „A Child of Our Time“ besonders auch am „Messiah“ orientierte.[15] 

Ermutigt durch den erfahrenen Erfolg, aber dennoch unzufrieden mit der eigenen musikalischen Leistung ging Tippett daran, seine kompositorischen Fähigkeiten zu vertiefen. In Reginald Owen Morris fand er einen Lehrer und Spezialisten für kontrapunktische Komposition, dessen Einfluss auf Tippett Ian Kemp als „deeply beneficial“[16] beschreibt, gleichwenn diese Beziehung nur etwa zehn Monate andauerte. Neben seinem musikalischen Schaffen und dem Unterrichten in Hazelwood war Tippett an der Wahrnehmung des Lebens seiner Umwelt interessiert, dazu gehörten laut Kemp „friendships, ideas, places, books“[17] und besonders auch Fremdsprachen. 

Reisen und Wahrnehmung wachsender Armut

Tippett lernte Italienisch, etwas Serbo-Kroatisch und auf höherem Niveau Deutsch. Goethes Faust und Wilhelm Meisters Wanderjahre las Tippett im Original.[18] Zur Sprachverbesserung reiste er während der Schulferien. Über seine Freundschaft mit Francesca Allinson, deren jüdische Mutter aus Deutschland stammte, ergab sich für Tippett im Sommer 1930 die Vermittlung einer Tätigkeit als Mathematiklehrer in Winkelhof bei Markdorf nahe dem Bodensee in einem Kinderheim für Berliner Waisen.[19] Bei diesem sechswöchigen Aufenthalt in Deutschland nahm er die wirtschaftliche Lage im Land als deutlich verschlechtert war,[20] und er sah diese Situation durch die Handelseinschrän­kungen der Alliierten als noch verstärkt an.[21]Ian Kemp geht davon aus, dass die Erlebnisse 1930 in Deutschland einen nachhaltigen Eindruck bei Tippett hinterließen: „At the Kinderheim he found that the beauty of the countryside and the friendlyness of the people deepened the affection for Germany wich he had already gained through music. This was never to leave him and was later to have a marked bearing on his attitude to the Second Word War.“[22]

Mit der Verschlechterung von Lebensbedingungen auch in England kam Tippett dann 1932 in Kontakt. Diese Erfahrungen sollten wiederum einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen,[23] der in den Folgejahren sein Vorhaben, ein sozial-kritisches Werk zu schaffen, das schließlich „A Child of Our Time“ wurde, mit begründete. 

Im April 1932 brachte ihn David Ayerst mit einem Projekt für Arbeitslose in der Bergbauregion East Cleveland in Kontakt.[24] Die ertragreichen Eisensteinvorkommen in der Region hatten im 19. Jahrhundert zu einer Eröffnung zahlreicher Minen geführt. Die Stadt Middlesbrough wuchs in dieser Zeit zu einem florierenden Handelszentrum. In den 1930ern wurden viele Minen aufgrund der günstigeren Erzimporte aus Spanien geschlossen, was eine Arbeitslosenquote von circa 90% in der Region zur Folge hatte.[25] Der Landsitzeigner Major James Pennyman und mehr noch dessen Frau Ruth riefen angesichts der bedrückenden Zustände ein soziales Projekt ins Leben. Sie initiierten eine Clubgemeinschaft unter den Landbesitzern der Region, aus der die „Cleveland Unemployed Miners‘ Association“ hervorging.[26] So konnte den Arbeitern und ihren Familien Land für den Gemüseanbau und die Viehhaltung zur Verfügung gestellt werden, es entstand eine Tischlerei und eine Schneiderei, wo dafür gesorgt war, dass die Arbeitslosen in diesen Handwerken angelernt wurden. Ziel war es, einen gewissen Grad an Unabhängigkeit und Zahlungsfähigkeit zu ermöglichen.[27] Aber Ruth Pennyman war auch an kulturell-kreativer Anregung gelegen, für die sie Studierende überwiegend aus Deutschland und Schweden für die Mitwirkung gewann.[28] Georg Götsch,[29] der das Musikheim Frankfurt an der Oder mit aufgebaut hatte, übernahm im Frühjahr 1932 erfolgreich ein Musikprojekt. Ein zweites sollte im September 1932 folgen, doch hierfür stand Götsch nicht mehr zur Verfügung. 

Sozialpolitische Musikprojekte und Liebeserfahrung

Im Spätsommer 1932 wurde Tippett als potentieller musikalischer Leiter zum sozialpolitisch engagierten Musik-Projekt von Ruth Pennyman, an dem auch David Ayerst, Francesca Allinson und der junge politische Künstler Wilfred Franks beteiligt waren, nach East Cleveland eingeladen.[30] Schon die erste Begegnung mit Franks hinterließ bei Tippett einen tiefen Eindruck und es entwickelte sich zwischen den beiden schließlich eine intime Beziehung, die Tippett in seiner kompositorischen Entwicklung einen starken Impuls gab. In seiner Autobiographie schreibt er: „Meeting with Wilf was the deepest, most shattering experience of falling in love: and I am quite certain that it was a major factor underlying the discovery of my own individual musical ‛voiceʼ“[31]. So sagte Tippett für das „work-camp“ im September 1932 zu. Zur Vorbereitung nahm er im Sommer zusammen mit Allinson an einer Schulung in Frankfurt an der Oder teil und erhielt bei diesem letzten Aufenthalt in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg einen Eindruck von den bedrückenden Veränderungen, die das Land durch den Einfluss Adolf Hitlers und seiner Partei zeigte.[32]

Das zweite „work-camp“ fand in Boosbeck statt. Tippett hatte sich für die Einstudierung einer gekürzten Fassung der „Baggers‘ Opera“[33] entschieden.[34] Die Hauptrollen wurden teils mit Engagierten für das Projekt, teils mit Personen der Bergarbeiterfamilien besetzt. Die Arbeit erzielte einen großen Erfolg. Im Anschluss daran ging Tippett mit Franks in der Region auf eine Wandertour, bei der er die Auswirkungen der wirtschaftlichen Not zu sehen bekam. Besonders bedrückte ihn die Lebenssituation der Kinder. In seiner Autobiografie schreibt Tippett dazu: „Sitting on the kerbside, we lunched on bread, cheese and apples. The apple core we threw away were immediately seized by some small children nearby: these poor mites had sores on their faces and were obviously half-starved; coming from the well-fed South, I found it mortifying. The sight of these under privileged, malnourished northern children haunted me for years afterwards.“[35] Es handelte sich also um den ersten Kontakt des jungen Komponisten mit dem Leben im Arbeitermilieu in einem desaströsen Gebiet, der nach Oliver Soden auf seine weitere Entwicklung wie ein Katalysator wirkte.[36] Tippett dachte im Anschluss an diese Erfahrungen sehr ernsthaft darüber nach, welches Recht er habe Musik zu schreiben, während andere Menschen Hunger litten.[37] 

Ende 1932, Tippett hatte zu dieser Zeit seine Unterrichtstätigkeit in Hazelwood aufgegeben, trug er sich als Dirigent in die Listen der Bildungssparte der Royal Arsenal Co-operative Society (RACS) ein, deren Motto „Each for All and All for Each“ lautete.[38] Das bedeutete eine deutlich links ausgerichtete politische Positionierung.[39] Es wurden ihm auf diesem Weg zwei Chöre vermittelt. Über den Unterstützerkreis seiner Aktivität in East Cleveland erhielt Tippet Ende 1932 außerdem den Kontakt zum South London Orchestra, einem Projekt für professionelle Musiker und Musikerinnen, die bei Stummfilmorchestern in Kinos angestellt waren und durch die Einführung der Tonfilme arbeitslos geworden waren.[40] Das Orchester hatte seinen Sitz beim Morley College. Es gab – außer im College selbst – Konzerte in Schulen, Kirchen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen und gewann bald viel Anerkennung. Tippett konnte mit diesem Klangkörper auch eigene Kompositionen als Programmteile aufführen.[41] Und diese Arbeitsbeziehung bereitete eine spätere Anstellung beim Morley College vor.

Erneut eine deutlich sozialpolitische Ausrichtung zeigte die Fortsetzung von Tippetts Engagement für die Arbeitslosen im Nord-Osten Englands, und dies auch auf der Ebene des aufgeführten Stücks.[42] David Ayerst, Ruth Pennyman und Michel Tippett schlossen sich unter dem Pseudonym „David Michael Pennyless“ zusammen und schufen die 1934 in Boosbeck unter Mitwirkung der Bergarbeiterfamilien erfolgreich aufgeführte Oper „Robin Hood“[43]. Exemplarisch ist die folgende Aussage aus dem Finale:

And every man and every maid

Shall freely live in peace.

Non shall be rich nor any poor,

The curse of hunger cease.

 

Beziehung zur Kommunistischen Partei und das Musikdrama „War Ramp“

Über Francesca Allinson lernte Michael Tippett 1934 zudem den Komponisten und Dirigenten Alan Bush kennen, der in dieser Zeit von einer Orientierung an der Labour Party hin zur Kommunistischen Partei wechselte und in seiner musikalischen Arbeit stark von Hanns Eisler beeinflusst war.[44] Tippett unterstütze Bush unter anderem bei der Umsetzung des Großprojektes „Peageant of Labour“ mit annähernd 2.000 Mitwirkenden im Londoner „Crystal Palace“, für das Bush die Musik komponiert hatte.[45] Kurz darauf wurde ein eigenes dramatisches Bühnenstück von Tippett, „War Ramp“, aufgeführt.[46] Soden beschreibt den Charakter des Werkes folgendermaßen: 

War Ramp was an angry protest against capitalist economic policy, and in its first act is the clearest statement of Michael’s economic and political views in the mid-1930: there was too much dominance by the banks amid an unsustainable cycle of generous credit, and unnecessary wars were funded by a ‛rampʼ of bank loans that had to be repaid by a starving population. The play was influenced by scenes from The Pageant of Labour and by the techniques of Bertoldt Brecht“.[47]

Im Juni 1935 nahm Tippett mit einem seiner Chöre an der ersten Internationalen Arbeiter Musik Olympiade in Strasbourg teil,[48] die im Kontrast zur faschistischen Bewegung stand,[49] die auch in England eine steigende Zahl Sympathisierender fand.[50] Sein eigenes Interesse an kommunistischen Ideen intensivierte sich in dieser Zeit so weit, dass er 1935 als Reaktion auf sein Studium der Schriften von Leo Trotzki in die Kommunistische Partei eintrat.[51] Die Spannung zwischen den einerseits an Stalin, andererseits an Trotzki ausgerichteten Lagern nahm allerdings Züge an, die bis zum persönlichen Dissens reichte.[52]Matthews schreibt als Begründung für Michael Tippetts Parteiaustritt nach nur wenigen Monaten: „He found in any case that he was too much an individualist to be tied to a set of rigidly imposed dogmas.“[53] Aber dass Tippett als Künstler sich von politischen Verwicklungen damit schon befreit hätte, kann nicht behauptet werden. 

Erfolglos versuchte er für eine Weile seine Chöre dazu zu bewegen politische Lieder aufzuführen, bis er laut Kemp allmählich zu der Sichtweise kam, dass Musik nicht als politische Propaganda tauge.[54] Tippett las aber weiterhin Trotzki und Marx und 1936 wurde er Mitglied der an Trotzki ausgerichteten „Youth Militant Group“.[55] Zu dieser Zeit sah sich Tippett selbst noch nicht als Pazifisten.[56] Die Gruppe implodierte 1937/38.[57] Tippetts intensive Involviertheit in politische Lagerbildung und durchaus radikale Vorstellungswelten, die ihn bis zu einem Punkt brachten, an dem er meinte, keine Musik mehr schreiben zu können, markieren Erfahrungen und eine Entwicklung, ohne die „A Child of Our Time“ und die darin emphatisch zum Ausdruck gebrachte Suche nach Ganzheit, kaum hätte entstehen können.[58] Die detaillreiche Darstellung Sodens zeigt, dass der Weg Tippetts zum Pazifismus und zur Versöhnung mit sich selbst keineswegs gradlinig verlief.[59] In dieser Zeit entstand „A Song of Liberty: The Mariage of Heaven and Hell“ mit einem Text nach einem Gedicht von William Blake.[60] 

 

Findung des Oratoriums in Krisenzeiten

1937 entwickelte sich eine Art Tutorenbeziehung zu Thomas Stearns Eliot, die für Tippetts weitere künstlerische Entwicklung von großer Bedeutung war.[1] Über Eliot lernte Tippett unter anderem die Werke des Poeten William Butler Yeats kennen sowie Philosophien von Jacques Maritain und Susanne Langer.[2]Zum Ertrag der Treffen mit Eliot schreibt Tippett rückblickend: „At these tea-time conversations he (above all others) helped me clarify my notions of the aesthetics of theatre and opera.“[3]

Persönliche Krise und Entdeckung der Schriften von C.G. Jung

1938 geriet Michael Tippett in eine persönliche Krise, als Wilfred Franks ihm mitteilte, dass er heiraten werde. Das war das Ende ihrer Beziehung.[4]

Zugleich begann Tippett schmerzlich zu realisieren, dass er wohl niemals Kinder haben werde.[5] Seine homosexuelle Neigung[6] hatte Tippett bereits in der Schulzeit[7] wahrgenommen und sie stellte sich für ihn – gerade über die Realisierung seiner tiefen Gefühle für Francesca Allinson, die aber nicht in ein sexuelles Erleben führten[8] – wohl schrittweise als die ihm einzig angemessene Form einer intimen Beziehung heraus.[9]

Zu diesem akut psychisch belasteten Zeitpunkt hatte Tippett bereits Schriften von Carl Gustav Jung gelesen und diskutiert.[10] So geriet er an einen kleinen Band mit an Jung ausgerichteten Interpretationen von Zeichnungen William Blakes zum Buch Hiob.[11] Eine Bildtafel bewegte ihn besonders. Es handelte sich um den von Blake (picture 11) dargestellten Wendepunkt Hiobs, als er zwischen Taten Satans und Taten Gottes nicht mehr unterscheiden konnte, bevor erst Elihu auftritt (picture 12) und sich Gott ihm dann im Wettersturm machtvoll offenbart (picture 13). In dieser Zeichnung mit dem Titel „Whith Dreams upon my bed thou searest me & affrightest me with Visions“[12] und einem Zitat von Hiob 19,22-27 fand sich Tippett mit seiner Situation wieder.[13] In der Auslegung von Edinger heißt es: 

„Job here stares into the abyss, the negativ numinosum. [...] Whereas previously Satan had been associated whith fire, now Yahweh himself has taken on that attribute and points to hell as one of his own manifestations. Recall the earlier quotation from The Marriage of Heaven and Hell where Blake says that ‛The Jehovah of the Bible [is] no other than he who dwells in flaming fire.ʼ Yaweh and Satan have now become one. As Jung tells us, one aspect of god is ‛a seething lake of fire.ʼ To live by the book protects one from that fire unless or until the satanic eye of Yahweh is activated and sets off another performance of the drama of Job.“[14]

Dieser Text zeigt die psychologische Interpretation von traditionell biblischen Bildern, Texten und Themen, mit der Tippett vertraut war. Und sie thematisiert dabei ein religiöses Erleben. Für Jung, der Rudolf Ottos 1917 erstveröffentlichtes Werk über das Numinose sicher kannte,[15] war die das Bewusstsein verändernde „Erfahrung des Numinosum“[16] ein Ausdruck von Religion.[17] Zumal Tippetts „Song of Liberty“ (vgl. II.4.1.1) Blakes „Marriage of Heaven and Hell“ als Text verwendete, kann davon ausgegangen werden, dass er sich schon längere Zeit mit der Frage der Unterscheidung bzw. Unterscheidbarkeit von Himmel und Hölle, Gott und Satan, Gut und Böse auseinandergesetzt hat. – Bereits Im Oktober 1936 hatte Tippett aufgeschriebene Träume an John Layard, einem mit Jungs Methoden arbeitenden Psychotherapeuten, per Post zur Analyse geschickt.[18] Und im Januar 1937 schrieb Tippett an Alan Bush: „Im going through a very exciting sort of re-birth“[19], was nach Jung einer Wiedergeburt der zuvor abgewehrten und unbekannten Ich-Anteile in der eigenen Seele bzw. im Selbst entspricht.[20] – Ob es sich bei Tippetts Bildrezeption mehr um eine religiöse, philosophische, ästhetische oder psychologische Auseinandersetzung gehandelt haben mag, entzieht sich einer Diagnose. Auch in Jungs Theorie (vgl. II.4.2.1) ist eine solche Differenzierung nicht durchweg deutlich, da er von einer religiösen Funktion der Psyche bzw. Seele ausging.[21] (Eine historisch informierte praxistheoretische Untersuchung über strukturelle Gemeinsamkeiten von therapeutischen und seelsorglichen Praktiken würde zu ähnlichen konflikthaften Ablösungen und Umstrukturierungsprozessen führen,[22] wie für Kunst und Religion festzustellen ist, und doch bleibende Übereinstimmungen bemerken.) Einen in der Krisenzeit neu geweckten christlichen Glauben bei Tippett anzunehmen, wäre sicher ein Fehlschluss. Aber die Archetypenlehre Jungs scheint ihm einen neuen Blick auf das Potential von Sinnkonzepten der Religion(en) wie auch auf religiöses Erleben jenseits dogmatischer Rahmungen eröffnet zu haben.[23] Und über die Einordnung des eigenen Leidens in eine menschheitsgeschichtlich immer wieder für einzelne Subjekte und Gruppen virulent werdende Thematik könnte für ihn eine Annahme desselben leichter geworden sein. – Im Zusammenhang der Untersuchung des Oratoriums „A Child of Our Time“ wird auf Tippetts Jung-Rezeption ausführlicher eingegangen werden und auch diese Bildtafel zu Hiob mit ihrer Thematik noch einmal in den Blick kommen. – Ian Kemp geht davon aus, dass Blakes Hiob-Zeichnung Tippett dazu bewegte, im August 1938 Layard zu kontaktieren, um therapeutische Sitzungen bei ihm zu vereinbaren.[24]

Erleben der politischen Krise, Entdeckungen sinnstiftender Kunst und Kompositionsideen

Im September 1938 spitzte sich die politische Lage in Europa derart zu, dass man mit Krieg rechnete, bis das Münchner Abkommen vorübergehend den Anschein eines möglichen Friedens verbreitete.[25] Zusammen mit anderen Trotzki-Anhängerinnen und -Anhängern hoffte Tippett auf eine Entwicklung mit Machtwende zugunsten des Proletariats. Er sah sich dazu aufgerufen, mit einer größeren Arbeit in künstlerischer Weise seine eigene Position zur Darstellung zu bringen. Soden schreibt: „He began to plan very roughly an opera, that would combine his complex political views with his new phase of psychological rebirth.“[26]

Als Thema eines opernhaften Werkes stellte Tippett im Herbst 1938 sich zunächst eine Behandlung der Osteraufstände in Irland 1916 vor. Oliver Sodens Skizze von Tippetts Ideen für dieses Stück sollte als ein Spiegel der inneren Verfassung des Komponisten zu dieser Zeit tauglich sein: 

The Easter setting could be a symbol of rebirth and a new world order, committee meetings paralleled with the Last Supper. The lead character would be Roger Casement, who had played a major role in ensuring German support for Irish independence and was executed for treason. The opera was to be largely set in the submarine in wich he travelled to Ireland hoping to postpone the uprising until greater aid could provided. Homosexual, anti-colonialist, and revolutionary, Casement would doubtless have been the wronged hero of the piece.“[27]

Die mit dieser Konfrontation von Zeichensystemen verbundene Umdeutung traditionell christlicher Bilder im Sinne einer politischen, aber auch geistigen Erneuerung lässt die Bedeutung von Religion für die Diskurse, in denen sich Tippett bewegte, deutlich werden. Gleichwenn von einem Glauben an einen aktiv rettenden, barmherzigen Gott bei Tippett bzw. in den Biografien von Kemp und Soden über den Komponisten nichts zu lesen ist, so ist eine Auseinandersetzung mit Inhalten und Bedeutungen christlicher Religion doch unbedingt relevant für seine Perspektive, innere Haltung und deren Entwicklung.[28] Eine Art Befreiung der wahren geistigen Bedeutungen aus der Gefangenschaft kirchlicher Dogmen hin zum kommunistischen internationalen Gemeinschaftsgeist könnte Tippett damals vorgeschwebt haben. Die Archetypenlehre Jungs scheint für ihn dann zu einer Interpretationsfolie geworden zu sein, die ihm eine integrative Deutung kultureller wie auch christlicher Ideale im Zusammenspiel mit seiner kritischen Wahrnehmung von Welt und Wirklichkeit ermöglichte. 

Die Umsetzbarkeit seines Kompositionsvorhabens in Form eines theatralen Bühnenwerkes zeigte sich Tippett dann jedoch mehr und mehr als fraglich.[29] Nach dem Vorbild von Bachs Passionen und – in Bezug auf den angedachten Aufführungsrahmen mehr noch – Händels Messiah schien ihm ein dramatisch erzählendes Werk für den Konzertsaal, „a secular oratorio“[30] mit einer eher kontemplativen Form geeigneter.[31]

Im November 1938 las Tippett die Pressemitteilungen über die Ereignisse des Attentats von Grynszpan in Paris und die darauf folgenden Ausschreitungen im Deutschen Reich, über die Gefangennahme und den Abtransport tausender jüdischer Menschen.[32] Anfangs könnte Tippett noch die von Trotzkis verlautbarte Sicht geteilt haben, dass Herschel Grynszpans Tat, „may serve as an example for every young revolutionist“[33]. Soden meint: 

„Michael’s planned scheme for A Child of Our Time has to be understood as emerging from five years of intense political engagement, and from his involvement with large-scale political-musical projects. He referred to the character of Grynszpan′s uncle as a ‛comradeʼ, and wondered about the effect a performance would have on ‛party membersʼ. But as the work progressed, and as he cast around for a writher who might provide a text on the story, his emotional realignment continued.“[34]

Was Tippett im Zuge der politischen Entwicklung in Europa Ende 1938 besonders erschüttert hatte, war die geringe Unterstützung von Seiten der britischen Regierung, aber auch britischer links gerichteter Kreise für jüdische Menschen, die in ein staatsrechtlich uneindeutiges Gebiet zwischen Polen und Deutschland deportiert worden waren.[35]

Suche nach Mitmenschlichkeit: Das „Kind unserer Zeit“ und das Christuskind

Mitmenschlichkeit schien sich verflüchtigt zu haben. Mit Grynszpan hatte er eine Person vor Augen, die in exemplarischer Weise das verkörperte, was er mit der Hauptfigur seines geplanten Werkes zum Ausdruck bringen wollte. In seiner Autobiografie schreibt Tippett dazu: „Grynspan seemed to me the protagonist of a modern Passion story“[36]. Als er wenige Wochen später in „The Times Literary Supplement“ einen Artikel über Ödön von Horváths „Ein Kind unserer Zeit“[37] las, könnte dies ihn bereits auf die Idee zum Titel seines Oratoriums gebracht haben.[38]Er bestellte sich eine Übersetzung des Romans, in der er eine für ihn überaus anschlussfähige Darstellung[39] fand: „I sent for it and discoverd in it another of the many scapegoats I wished to commemorate – the unnamed, deranged soldier/murderer, who sleeps on a park bench in the snow, at the end, frozen to death like a snowman.“[40]

Als ein weiteres Erlebnis, das Tippett in dieser Zeit tief bewegte schildert Ian Kemp eine von der BBC an Weihnachten 1938 gesendete Aufführung von „L’Enfance du Christ“ von Victor Berlioz. „Tippett found himself musing on why it was the once universally accepted Image of the Christ-Child seemed to have lost its emotional power“[41]. Eine von Tippett gesehene Analogie zwischen den Bildern vom „Kind unserer Zeit“ und von „Christus“ wird in seinem Oratorium später deutlich werden und als ein Spiegel der damaligen Gesellschaft dienen. Kemps Darstellung zeigt einerseits eine reflektierte Sicht Tippetts auf die Bedeutung von Religionskultur für das interne gesellschaftliche Miteinander wie ebenso für das Miteinander von Gesellschaften.[42] Sie lässt andererseits eine emotionale Verbundenheit mit den christlichen Bildern der Mitmenschlichkeit erkennen, die er von den christlichen Institutionen – einschließlich der Kirche – mit ihrer selbstgerechten Ideologie als nicht mehr verkörpert ansah.[43] Es ist anzunehmen,[44] dass Tippett an Weihnachten 1938 schon Edmund Blundens Ausgabe der Gedichte von Wilfred Owen gelesen hatte,[45] die ihm später als eine Inspirationsquelle für das Libretto von „A Child of Our Time“ diente. In seiner Einführung mit einer Zusammenstellung von Schriftstücken,[46] die Owen während des Ersten Weltkrieges verfasste, zitiert Blunden aus einer Notiz Owens vom Juni 1917, als dieser sich verwundet in Frankreich befand: „I go down to-day. Where to? Nobody knows. Maybe in the Hospital Train for days.“[47] Wenige Tage später schrieb er dann aus dem Hospital einen Brief, aus dem Blunden folgende Passage wiedergibt:

„Already I have comprehended a light which never will filter into the dogma of any national church: namely, that one of Christ′s essential commands was: Passivity at any price! Suffer dishonour and disgrace, but never resort to arms. Be bullied, be outraged, be killed; but do not kill. It may be a chimerical and an ignominious principle, but there it is. It can only be ignored; and I think pulpit professionals are ignoring it very skilfully and successfully indeed ... And am I not my self a conscientious objector with a very seared conscience? Christ is literally in ‛no man′s landʼ. There men often hear His voice: Greater love hath no man than this, that a man lay down his life for a friend. Is it spoken in English only and French? I do not believe so. Thus you see how pure Christianity will not fit in with pure patiotism.“[48]

„Nowbody knows“[49], „no mans land“[50] und das Christusbild als Inbegriff von Gewaltlosigkeit über nationale Grenzen hinweg finden sich signifikant in Tippetts Oratorium wieder. Und der aus Kriegserfahrungen gewonnene Grundgedanke Owens, der eine Abwehr von Nationalreligiosität[51] darstellt, klingt auch aus Tippetts essayistischen Überlegung zum Thema „Beliefs“ heraus.[52] So ist es keine allzu gewagte Hypothese, einen lebenslangen – freilich nicht von Gedanken und Konzepten anderer wie etwa der Lehre Jungs isolierten – Nachhall dieser Gedankens Owens bei Tippett anzunehmen. 

Entdeckung der Spirituals

Anfang Januar 1939 hörte Tippett im Radio eine Aufführung afro-amerikanischer Spirituals.[53] Er erinnert sich in seiner Autobiografie, wie er beim Hören von „Steal Away to Jesus“ die lösende Antwort auf eine zentrale Frage zu seinem geplanten Oratorium fand: „At the phrase ‛A trumpet sounds within-a my soul′ I was blessed with an intuition: that I was being moved by this phrase far beyond its obvious context. I sent to America for a book of American spirituals, an when it came I saw that there was one for every key situation in the oratorio.“[54] Besser als lutherische Choräle, aber auch als die von ihm zwischenzeitlich in Erwägung gezogenen jüdischen Melodien, sah er in den Spirituals ein kollektives Leiden[55] derart zum Ausdruck gebracht, dass es nicht allein die Situation der afrikanischen Sklaven repräsentierte, sondern von universaler Zugänglichkeit war.[56] Was Tippett intendierte hervorzurufen, war durchaus eine Art spirituell-religiöses Gefühl, worauf auch die Verwendung des Begriffs „blessed“ bei der Beschreibung seines eigenen Erlebens hinweist.[57] In einem Essay schreibt Tippett zu seinen Überlegungen in Bezug auf eine geeignete musikalische Form in Analogie zu Bachs Gemeindechorälen Folgendes:

„A modern oratorio based on sensibilities of emotion expressive of inner and outer events in Europe and America between the world wars and destined for the concert-hall, not the church, cannot merely use the metaphorical language of liturgical Christianity. Chritian hymns could not speak to agnostics or Jews; Jewish hymns could speak to the general concert-hall public even less. For to ‛speakʼ in this sense is to do the operation which much-loved hymns do to the appropriate congregation of the faithful. But in what sense at all are listeners in a concert-hall a congregation of the faithful?“[58]

In undogmatischer, religionskulturelle Grenzen nivellierender Art wollte Tippett die Menschen im Innersten ansprechen und nutzte dafür die emotional aufgeladene Sprache der Spirituals. Ein solches Vorhaben kann zwar mit Heinrich Detering als „kunstreligiös“ bezeichnet werden.[59] Doch betont Tippett den Agnostizismus und nicht einen Kunstglauben. [60] Gelernt hat er an Kompositionstechniken, die für sein Vorhaben geeignet wären, doings und sayings musikalischer Religionskunst oder auch der Oper. Avantgardistisch plant Tippett nun, eine Art Verfremdung, die er auch schon durch seine Auseinandersetzung mit Brecht-Weill-Opern im Rahmen der Komposition seines Musikdramas „War Ramp“ hatte erproben können (vgl. II.4.1.1). Doch passt der Charakter dieser Musik nicht für die Produktion einer Atmosphäre von Innerlichkeit. Geplant ist eine aufgebrochene Form religiöser Musik mit psychologisch-spirituellem Effekt, die man mit Peter A. Berger, Klaus Hock und Thomas Klie als Religionshybrid bezeichnen könnte.[61] Die Spirituals waren für ihn neu, anders, vielleicht kulturell „gebrochen“ und zeigten sich doch wirksam als emotionale Medien oder Katalysatoren. Bei seinen Überlegungen arbeitet Tippett konzeptionell differenziert und kunstphilosophisch orientiert. Der Ort Konzertsaal, steht zwar für Kunst, aber wird er nicht doch durch Aufführungen von Sprachformen der Religion zu einer Kirche? Das ist eine berechtigte Frage die Tippett ähnlich aufwirft. Bedenkt man die Überlegungen Ernes zur Ortsunabhängigkeit der Liturgie (vgl. II.2.1.2), dann ist klar, dass sich Gemeinde auch im Konzertsaal über liturgische Praktiken konstituieren kann. Die performative Wirkung, die Tippett mit seiner Kunstpraktik erreichen will, entspricht einem starken Erlebnis von Selbsttranszendenz (vgl. II.2.1.3 u. II.2.3.1), die optional auch religiös zu erleben wäre. Während nach Erne insbesondere die materielle Anordnung bzw. die geformte Architektur Kirchen die Eigenschaft zukommen lässt, Hybridräume der Transzendenz hervorzubringen, ist es bei Tippett die Kunstpraktik die Analoges im Konzertsaal ermöglicht. 

Die Verwendung der afro-amerikanischen Spirituals kann außerdem als eine partiell politisch motivierte Wahl gedeutet werden, denn diese Werke gehörten zu einer Form, die in Deutschland als „Negermusik“ verboten war. Soden schlussfolgert: „To place them within a British oratorio was not only a musical innovation but a political statement.“[62] Nichtsdesto­trotz hat Tippett damit eine Entscheidung getroffen, die explizit christliche Sprache mit der im Oratorium erzählten Leidens­geschichte verbindet, für die reale jüdische Schicksale als Vorlage dienten. Wie oben im Zusammenhang mit der Rostocker Aufführung bereits angesprochen, bringt das eine ambivalente Spannung ins Werk, wenn man die Spirituals als Angebot zu Bewältigung des Erzählinhaltes versteht, weil sie wohltuend wirken können. Sie operieren nicht nur mit Klangbildern, sondern sagen auch etwas in signifikanten Worten biblischer, sowohl alt- als auch neutestamentlicher Herkunft. Indirekt entsteht der Eindruck, als würde einem jüdischen Protagonisten in seiner Not der Ausweg einer Flucht zu Jesus angeboten.[63] Bei der folgenden Untersuchung wird dieser Aspekt kritisch im Blick behalten. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass freilich das Oratorium selbst eine musikalische Gattung mit christlichem Ursprung ist (vgl. II.3.3.7) und dass, wie oben schon anklang, dem englischen Komponisten Ende der 1930er Jahre keine ‚transreligiöse‘ Form zur Verfügung stand, an der er hätte ausgebildet sein können.[64]

Persönliches Wendepunkterlebnis

Von Ende Januar bis August 1939 führte Tippett ein Traumtagebuch und reflektierte seine Träume auf der Basis von Jungs Psychologie. Kemp schreibt zum Ergebnis dieser Praktik: „This experience marked the major turning point in his life. It meant that he could re-dedicate himself to his funda­mental vocation of composer and set aside his involvement in politics, or at least in party politics.“[65] Um Sinn zu finden sah er sich nun auf sich selbst angewiesen. Es war ihm möglich einen Ausgleich und Weg jenseits von Extremen zu finden. Kemp meint weiter, dass durch Jungs Bild vom Schatten und Licht in jedem Menschen Tippett zugleich zu Einsichten über die Projektionen von Nationen auf andere Nationen, jedes Menschen auf den Anderen brachte, woraus die Notwendigkeit resultiere, die eigene geteilte Natur anzunehmen. Bemerkenswert ist Kemps Hinweis in diesem Zusammenhang, dass Tippett in der Bedeutung der Taufe ein Heilungspotential gesehen habe. – Plausibel wäre in dieser Perspektive eine Rückübersetzung des Prozesses, den Tippett an sich selbst erfuhr („re-birth“ s.o.), als ein Taufgeschehen ähnlich dem Anziehen Christi (Gal 3,27) bzw. der Werdung eines neuen Menschen (Eph 4,24),[66] hier allerdings nicht Kraft des Heiligen Geistes und unter der Voraussetzung des Christusereignisses, sondern aus einer inneren Kraft und Ausrichtung der Person.[67] Auch diese Anmerkung wird sich am Oratorium noch veranschaulichen lassen. – Im Zuge von Tippetts inneren Auseinandersetzungen wandelten und verdichteten sich seine Ideen zu „A Child of Our Time“. Die Figuren des Erzählfadens namenlos zu lassen und die Tat des Jungen nicht positiv zu bewerten, sind Entscheidungen, die sicher mit dem inneren Prozess Tippetts in dieser Zeit in Verbindung stehen.

Konkrete Planung des Oratoriums

Tippett ging zunächst davon aus, Eliot könne vielleicht den Text zum Oratorium verfassen und hatte eine entsprechende Anfrage an ihn gerichtet, worauf Eliot Tippett um die Vorlage eines detaillierten Konzepts für dieses Werk bat. Grundlegend war dann bei dieser konzeptionellen Arbeit für Tippett die Frage, wie die von ihm verwendeten unterschiedlichen künstlerischen Formen, aber auch philosophischen und psychologischen Konzepte miteinander ins Verhältnis und zur Darstellung zu bringen wären.[68] Er war sich sicher, dass sein Oratorium ohne einen Plan, keinen Bestand haben könne und dass der musikalische Plan gegenüber dem literarischen leitend sein müsse.[69]Im Rückblick schreibt er:

„I had not read Susanne K. Langer at that time, but taught, in part, by Eliot I instinctively appreciated her dictum: ‛Every work of art has its being in only one order of art; compositions of different orders are not simply conjoined, but all except one will cease to appear as what they are.′“[70]

Daraus ergibt sich für Tippett ein unbedingter Vorrang des Musikalischen. Er meint weiter: „But the dramatic and even philosophic material which the music had to ‛swallow′ was entirely embedded in the gradually forming musical apprehensions from the very start.“[71] Tippetts musikalischer Plan stellt also eine hierarchische Ordnungsstruktur auf, bei der die Musik als eine Art Site im Sinne Schatzkis fungiert (vgl. I.2.4.3). Das heißt, Musik bietet das, was intrinsisch zu tun und zu erleben ist. Über geteilte allgemeine Verständnisse damit verbundene Elemente, die nicht Musik sind, fügen sich untergeordnet ins Ganze ein. Nur wenn Philosophie musikphilosophisch und Drama musikdramatisch wird, lässt sie sich in die Komposition integrieren. Über einen Zeitraum von Jahren sind von Tippett inhaltliche Bedeutungs- und Sinnkonzepte entwickelt worden, die nun teils intuitiv, teils reflektiert – quasi unter dem Dach des musikalischen Konzepts – als Klang und Text in einer komplexen Komposition mit dramatischem Spannungsbogen zusammenfließen. Tippett setzt sein Körperwissen, sein emotionales Empfinden und Erinnern ebenso beim Komponieren ein, wie rationale Überlegungen. Das kontrapunktische Prinzip ermöglicht es Tippett in seiner Musik unterschiedliche Themen gleichzeitig, einzeln wahrnehmbar und doch aufeinander bezogen ‚auszusprechen‘.[72]

Nachdem Eliot von Tippett einen auch inhaltlich schon sehr konkreten „Sketch for a Modern Oratorio“[73] erhalten hatte, lehnte er eine Mitwirkung schließlich mit der Begründung ab, dass seine poetische Sprache aus dem Rahmen des Werkes zu sehr herausfallen würde. Und Eliot riet dem Komponisten, den Text selbst zu verfassen.[74] Dies tat Tippett dann nicht nur beim Oratorium, sondern bei allen seinen nachfolgenden Werken mit textlichen Elementen.[75]

Bevor die Umsetzung von Tippetts Plan zu einem musikalisch- literarischem Werk nun im Einzelnen vorgestellt wird, sei hier noch auf wenige weitere biografische Aspekte hingewiesen, die im Zusammenhang mit „A Child of Our Time“ stehen. 

Weiteres bis zur Uraufführung 1944 – Kriegserfahrung und pazifistisches Engagement

Für Michael Tippett wurde seine Arbeitssituation mit Kriegsbeginn zunächst schwieriger, doch erhielt er 1940 ein Angebot vom Morley College, das durch Bombardement seine Räume verloren hatte, leitend einen Chor neu aufzubauen. Er nahm an und wurde als musikalischer Direktor angestellt. Auch in Tippetts Wohnort Oxted wurden in einem Zeitraum, als Tippett gerade am zweiten Teil seines Oratoriums arbeitete, einige Häuser bei Luftangriffen zerstört. Kemp schreibt dazu: „he began the ‚terror‘ chorus with the sound of bombers overhead.“[76] Die direkte Kriegser­fahrung habe ihn laut Kemp darin bestärkt, sich offen als Pazifist zu positionieren. Im November 1940 trat Tippett der Peace Pledge Union (PPU) bei, für die er bis in die 1960er Jahre aktiv öffentlich eintrat.[77] 1941 beendete er „A Child of Our Time“. Das Werk lagerte dann aber zunächst in einer Schublade.[78] Als Tippett ab 1942 zum Kriegsdienst eingezogen werden sollte, verweigerte er dies ebenso wie alle möglichen Ersatzdienste und wurde aus diesem Grund für drei Monate inhaftiert.[79] In den Kriegsjahren entwickelte sich durch Tippetts Einfluss am Morley College ein kosmopolitisches Miteinander. Unter anderem die Komponisten bzw. musikalischen Lehrer Mátás Seiber, Walter Bergmann sowie der Dirigent Walter Goehr mussten aus Kontinentaleuropa flüchten und fanden am Morley College eine Anlaufstelle.[80] Es wurden anspruchsvolle musikalische Programme, teils unter Einbezug von Tippetts eigenen Kompositionen, entwickelt.[81] Zur Aufführung des Oratoriums kam es über ein Gespräch zwischen Benjamin Britten und Michael Tippett.[82] Britten interessierte sich für Tippetts Arbeiten und fragte ihn – wenig nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis–, ob er nicht auch ein größer angelegtes Werk habe, worauf Tippett ihm sein Oratorium zeigte. Brittens Reaktion war positiv. Er ermutigte Tippett eine Aufführung zu arrangieren. Diese fand dann am 19. März 1944 im Adelphi Theatre statt.[83] Walter Goehr dirigierte, Peter Pears, Joan Cross, Roderick Lloyd und Margaret McArthur sangen die Soli. Es wurde ein auch von The Times[84] positiv gewürdigter Erfolg, mit dem Tippetts Wahrnehmung als bedeutender Komponist begann. Seine eigene Wahrnehmung dieser Veranstaltung fällt eher kritisch aus. Er schreibt dazu: „In the event, through no fault of these artists, it was an imperfect pemière under execrable conditions, but inescapably moving.“[85]

Antje Martina Mickan

Fortsetzung mit einer Vorstellung des Oratoriums Ende September 2025


Aufführung von Michael Tippetts “Child of Our Time” im Rahmen des Rostocker Gedenkprojekts “80 Jahre Reichspogromnacht” in St. Nikolai.

Fußnoten Tippett 1

Frühe Jahre (1905 bis 1922)

[1] Vgl. Soden 2019, S. 23. – Zum familiären Hintergrund vgl. Kemp 1984, S. 1-7.

[2] Matthews (1980, S. 19): „the childhood expericence of the unspoilt English contryside in the years before the First World War gave him a grounding for life. And except for his time in London at the Royal College of Music, Tippett has never lived away from the country: it is there that he is truly at home.“

[3] Vgl. Soden 2019, bes. S. 27.

[4] Matthews 1980, S. 17 und Kemp 1984, S. 7.

[5] Vgl. Kemp 1984, S. 6f. – Zur Kindheit und Jugend Tippett vgl. Soden (2019, S. 24-62), ferner zu den besuchten Schulen und ihrer Bedeutung für die musikalische Entwicklung Michael Tippetts die zusammenfassende Darstellung von Kemp (1980, S. 8-13).

[6] Zum Namenswechsel des Vaters Henry Tippett zu Henry Kemp vgl. Kemp (1984, S. 7).

[7] Kemp (1984, S.13) gibt als Alter für fließendes Französisch neun Jahre an, Matthews (1980, S. 16) zehn Jahre. 

[8] Bezeichnend ist die von Soden (2019, S. 31) für das Jahr 1912 beschriebenen Art und Weise, wie Isabel Tippett ihre Kinder in ihre sozial-politischen Aktivitäten einbezog: „Soon the boys were old enough for Isabel to involve them with her concerns. Topics such as religion and agnosticism were encouraged in conversation. Off they all went to the East End to help serve soup to the poor. Michael even ended up at a WFL [Woman’s Freedom League] meeting, and crawled under the table to crouch in a copse of skirted legs and buttoned boots, as the voices droned overhead. He an Peter were pressed into giving speeches on female suffrage to the household, and, when there was a major workers‘ strike in Stowmarket that plunged many local families into dire poverty, found themselves sharing Rosemary Cottage with four strikers‘ childrem wohm Isabel had brought home.“

[9] Dieser Biograf und persönliche Freund Tippetts ist nicht verwandt mit den Tippett-Kemps, vgl. Kemp (1984, S. xi).

[10] Vgl. Kemp 1984, S. 9.

[11] Vgl. Matthews 1980, S. 16.

[12] Vgl. Kemp 1984, S. 6.

[13] Vgl. Kemp 1984, S. 5 und Soden 2019, S. 11f

[14] Vgl. Soden 2019, S. 12. 

[15] Kemp 1984, S. 9.

[16] Vgl. Kemp 1984, S. 12.

[17] A.a.O., S. 11.

[18] Vgl. Soden 2019, S. 55f.

[19] Vgl. zum Film Copping (2020), Ryan: The Great War in American and British Cinema, 1918-1938. Art Amidst the Ashes, Cham, S. 1-30.

[20] Tippett, 1991, 45.

[21] Tippett, 1991, 45.

[22] Tippett, 1991, S. 11.

[23] Vgl. Soden (2019, S. 56f.). Matthews (1980, S. 16) schreib, Tippett habe diese Berufsidee wohl im Alter zwischen acht und neun Jahren entwickelt.

[24] Vgl. Kemp 1984, S. 12.

Literatur:

Kemp (1984), Ian: Tippett – the composer and his music, London.

Matthews (1980), David: Michael Tippett. An introductory study, London.

Soden (2019), Oliver: Michael Tippett. The Biography, London.

Fußnoten Tippett 2

Studienzeit und frühe Jahre in Oxted (1923-1937)

[1] Vgl. A.a.O., S. 12.

[2] Laut Kemp (1984, S. 13) hatte er bis dahin in seinem Leben erst drei oder vier Konzerte miterlebt.

[3] Zu Aktivitäten und Beziehungen am RCM in London vgl. die ausführliche Darstellung von Soden (2019, S. 69-93).

[4] Eine Kurzbiografie von Allinson ist unter Modernist Archive Publishing Projekt im Internet zu finden: www.modernistarchives.com/person/francesca-allinson (Zugriff 23.11.2023). In seiner Autobiografie schreibt Tippett (1991, S. 16), dass das einzige Familienmitglied, zu dem er in der Zeit beim RCM Kontakt hatte, seine Cousine Phyllis Kemp gewesen sei. Und Tippett (a.a.O., S. 17) ergänzt. „Ironically, it was through her that I met one of two women most crucial to my life for the next twenty qears – a young musician called Francesca Allinson.“ Vgl. ferner Soden (2019, S. 118-122).

[5] Vgl. Tippett 1991, S. 20.; Kemp 1984, S. 22f.

[6] Soden 2019, S. 71.

[7] Vgl. Soden 2019, 71.

[8] Vgl. Kemp 1984, S. 14f.

[9] Vgl. Soden 2019, S. 84, Kemp 1984, S. 17.

[10] Vgl. Soden 2019, S. 92f.

[11] Vgl. Tippett 1991, S. 21. – Zum Französischunterricht kam noch ein kleiner Orgeldienst hinzu und die Leitung des Schulchores. Mit dem Jahresgehalt von £ 80 hatte er genug, um sich auf seine Komposition zu konzentrieren. Vgl. Kemp (1984, S. 18.)

[12] Kemp 1984, S. 19. 

[13] Kemp 1984, 20.

[14] Kemp, 1984, S. 20, Soden 2019, S. 107.

[15] Vgl. Tippett 1995, S. 114.182. – Zum Messiah vgl. Keates (2016), Jonathan: Messiah. The composition and afterlife of Handel′s Masterpiece, London.

[16] Kemp 1984, S. 21.

[17] Kemp 1984, S. 21.

[18] Es soll Evelyn Maude gewesen sein, die Tippett zur Lektüre von Goethe und Jung brachte. Vgl. Kemp (1984, S. 25).

[19] Vgl. Tippett 1991, S. 32f., hier auch zu Tippetts Besuch der Odenwaldschule nahe Michelstadt. Der Abschnitt trägt die Überschrift „The Children of Our Time“.

[20] Zuletzt in den Jahren 1924 und 1925 war Tippett in den Studienferien nach und in Deutschland gereist, Vgl. Soden 2019, S. 80-83.

[21] Vgl. Soden 2019, S. 103.

[22] Kemp 1984, S. 22. 

[23] Kemp (1984, S. 30) schreibt, Tippett „was confronted with realities harshly at variance with the sheltered atmosphere of Oxted.“

[24] Vgl. zu diesem Projekt insgesamt Soden (2019, S. 110-127.) Zur Rolle von Rolf Gardiner, der durch nationalsozialistische Ideen inspiriert war vgl. ders. (a.a.O., S. 112. Ayerst ließ sich Sodens Darstellung zur Folge nicht durch die Ideen Gardiners, sondern durch die offensichtlich prekären Verhältnisse und das Engagement Ruth Pennymans von einer Beteiligung überzeugen. Um Ayerst Haltung zu untermauern schreibt Soden (a.a.O., S. 111): „A trip to Berlin had thrilled Ayerst with horror at the threat of Hitler and the danger of fascism, which had already gained control of Italy. In October 1932 Oswald Mosley formed the British Union of Fascists, to which members flocked in black-shirted droves. In response, Ayerst was soon involved in efforts to relieve the blight of unemployment in the north-east of England.“ Zu reservierter Haltung von Ayerst und Tippett gegenüber Gardiner vgl. auch Kemp (1984 S. 26).

[25] Vgl. National Trust, www.nationaltrust.org.uk/ormesby-hall/features/heartbreak-hill-exhibitions (Zugriff am 23.11.2023.)

[26] Vgl. Soden 2019, S.112 u. Kemp 1984, S. 26. 

[27] Vgl. Soden 2019, S. 111f.

[28] Vgl. Soden 2019, S. 112.

[29] Der Band Bitterhof (Hg.; 1969), Erich: Georg Götsch. Lebenszeichen. Zeugnisse eines Weges, Wolfenbüttel, Zürich vereint eine Reihe von Texten von Personen aus dem Lebensumfeld von Götsch wie auch von Götsch selbst, so fehlen hier kritische Anmerkungen weitgehend. Vgl. hier zu Begegnungen in England Gardiner, Rolf: „Georg Götsch und Rolf Gardiner“, in: Bitterhof (Hg.; 1969): Götsch, S. 236-248 und zur Arbeit im Musikheim Frankfurt die Beiträge von verschiedenen Zeitzeuginnen und -zeugen in Bitterhof (Hg.; 1969): Götsch, S. 197-234.

[30] Vgl. Soden 2019, 113-116.

[31] Tippett 1991, S. 58.

[32] Vgl. Soden (2019, S. 120-122) auch zu weiteren Stationen einer gemeinsamen Reise im Anschluss an den Kurs in Frankfurt O. und zur Entdeckung, ihrer „sexual inmompatibility“ (a.a.O., 121).

[33] Die Beggar′s Opera mit einem Text von John Gay und Musik von Johann Christoph Pepusch wurde im Anschluss an ihre Uraufführung 1728 in London ein großer Publikumserfolg. Vgl. Böker (2006), Uwe: „John Gays The Beggar′s Opera und die sozialhistorischen Kontexte: Satire, Kriminalität, Ballade, Oper, Kommerzialisierung“, in: Ders./Detmers, Ines/Giovanopoulos, Anna-Christina (Hg.): John Gay′s The Beggar′s Opera 1728-204. Adaptions and Re-Wrigtings, Amsterdam, New York, S. 33-102. Zum Anschluss der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill 200 Jahre später an dieses Werk und ganz eigener Ausführung vgl. Schuhmacher (2006), Klaus: „Ekstasen der Sachlichkeit: Zur Dreigroschenoper (1928) von Bertolt Brecht und Wurt Weill“, in: Böker, Uwe/Detmers, Ines/Giovanopoulos, Anna-Christina (Hg.): John Gay′s The Beggar′s Opera 1728-204. Adaptions and Re-Wrigtings, Amsterdam, New York, S 193-217. 

[34] Vgl. Soden 2019, S. 125-127.

[35] Tippett 1991, S. 58. – A.a.O., S. 59 beschreibt Tippett ein Erlebnis großer Gastfreundschaft der Landbewohner.

[36] Vgl. Soden 2019, S. 126.

[37] Vgl. Kemp 1984, S. 30. 

[38] Vgl. Kemp (1984, S. 30f.) u. Bullivant (2013), Joanna: „Tippett and politics: the 1930th an beyond“, in: Gloag, Kenneth und Jones (Hg.), Nicholas: The Cambridge Compagnion to Michael Tippett, Cambridge S. 68-85, hier bes. S. 71.

[39] Vgl. Kemp 1984, S. 31. 

[40] Vgl. Soden 2019, S. 128f. – Wilfred Franks Vater war Mitglied dieses Orchesters.

[41] Zur Premiere von Tippetts Symphony in B-flat, die er später zurückzog [bei Schott, London 2018 als Leihgabe neu aufgelegt, de.schott-music.com/shop/symphony-in-b-flat-no354442.html (Zugriff 23.11.2023)], vgl. Soden 2019, 135f.

[42] Zur Oper Robin Hood und dem Entstehungskontext vgl. Soden (2019, S. 139-146), ferner Bullivant (2013, S. 72f.).

[43] Das Werk ist unveröffentlicht geblieben. Tippett verwendete später einige Passagen für seine „Suite for the Birthday of Prince Charles“, vgl. Kemp 1984, S. 27.

[44] Vgl. Bullivant 2013, S. 70-79, Soden 2019, 136f. u. S. Kemp 1984, S. 30f.

[45] Vgl. Soden 2019, S. 154f.

[46] Vgl. Tippett 1991, S. 47-49.

[47] Soden 2019, S. 156 [kursiv i. O.].

[48] Vgl. Soden 2019, S. 169f.

[49] Vgl. Kemp 1984, S. 33.

[50] Vgl. Soden 2019, S. 111.

[51] Vgl. Matthews 1980, S. 31, Kemp 1984 S. 31f. – Zu Jahr 1935, als Tippett 30 Jahr alt wurde, vgl. Soden 2019, 162-179.

[52] Tippetts Cousine Phyllis Kemp, mit der er seit der Kindheit in gutem Kontakt stand, kündigte ihm als überzeugte Stalinistin zwischenzeitlich die Beziehung auf, weil er auf der Seite Trotzkis blieb. Vgl. Kemp 1984, S. 32, ferner Soden 82019, bes. S. 197f.2089.

[53] Matthews 1980, S. 31.

[54] Vgl. Kemp 1984, S. 34.

[55] Zu dieser Zeit, in der Tippett sich selbst nicht als Pazifist verstand vgl. Soden 2019, S. 180-190.

[56] Vgl. Soden 2019, S. 153-161.

[57] Vgl. Soden 2019, S. 200f. Zur zwischenzeitlichen Unterstützung kommunistischer Lager im Spanischen Bürgerkrieg vgl. Soden 2019, S. 185f.199.

[58] Vgl. Bullivant 2013, S. 74-76.

[59] Vgl. Soden 2019, bes. 193-201.

[60] Vgl. Soden 2019, S. 188-200. – Die Premiere fand am 07.11.1937 statt, vgl. a.a.O., 199f.

 

Fußnoten 3

Findung des Oratoriums in Krisenzeiten

[1] Laut Kemp (1984, 24) soll Tippett Eliot später als „artistc Godfather“ bezeichnet haben.

[2] Vgl. Kemp 1984, S. 24.

[3] Tippett 1995, S. 110.

[4] Den Recherchen von Soden (2019, S. 207f.) zufolge war die Trennung nicht ganz so abrupt und vollständig, wie Tippett es später erinnerte. Soden benennt punktuelle Zusammenarbeiten, Briefe und Weihnachtsgrüße.

[5] Tippett (1991, S. 56) erinnert sich in seiner Autobiografie, wie er und Allinson eine Zeit lang gemeinsam darüber nachdachten, ob sie nicht heiraten und Kinder bekommen sollten, die sie sich beide sehr wünschten. (Auch Allinson hatte zeitweilig eine homosexuelle Beziehung.) Zum Gedanken an eigene Kinder vgl. auch Soden (2019, S. 132f.173f).

[6] Da Tippett sich in der Kindheit im Hotel seines Vaters an der französischen Côte d’Azur ein gutes Stück zu Hause gefühlt haben dürfte, hatte er schon früh Kontakt zu einer Lebenswelt, in der Homosexualität nicht kriminalisiert war. Während in Großbritannien homosexuelle Handlungen seit 1885 bis 1967 grundsätzlich unter Strafe standen (vgl. ILGA-Europa 1998, S. 101f.), gab es in Frankreich von 1791 bis 1942 keine Gesetze in Hinblick auf gleichgeschlechtliche Beziehungen und Handlungen (vgl. a.a.O., S. 50). ILGA-Europa (1998): Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Eine Frage im zivilen und sozialen Dialog. Ein Bericht der ILGA-Europa, dem europäischen Regionalverband der International Lesbian and Gay Association, Brüssel, www.hosiwien.at/img/pdf/eureport.pdf (Zugriff 23.11.2023).

[7] Zu sexuellen Drangsalierungen und auch einer ersten homosexuellen Beziehung Michel Tippett um 1918 in der Schulzeit in Fettes vgl. Soden (2019, S. 47-51) herausarbeitet waren die Zustände a

[8] Vgl. Soden 2019, S. 121f.

[9] Vgl. Robinson (2013), Suzanne: „‛Coming out to oneselfʼ: encodings of homosexual identitiy from the First String Quartet to The Heart’s Assurance“, in: Gloag, Kenneth und Jones (Hg.), Nicholas: The Cambridge Compagnion to Michael Tippett, Cambridge, S. 86-102, hier bes. S. 86. – Öffentlich bekannt wurde Tippetts Homosexualität schrittweise seit den 1980er Jahren. Die Biografie von Soden (2019) bietet eine gut recherchierte, differenzierte und mit einer offenen Haltung verfasste Darstellung von Tippetts Lebensbeziehungen.

[10] Vgl. Tippett 1991, S. 62.

[11] Vgl. Edinger (1922), Edward F.: Encounter with the Self. A Jungian Commentary on William Blake’s Illustrations of the Book of Job, Toronto. Kemp (1984, S. 36) spricht von einer Ausgabe mit Interpretationen von Evelyn Underhill, dabei wird es sich vermutlich um einen Irrtum handeln. Tippett befasste sich intensiv mit Underhills „Mysticism“ (London 1911), darin sind aber die Bildtafeln nicht enthalten. Vgl. Tippett (1995, S. 237).

[12] Blake in: Edinger 1922, S. 44.

[13] Vgl. Kemp 1984, S. 36.

[14] Edinger 1922, S. 45.

[15] Vgl. Otto 2004. – Zum Bezug von Th. Erne auf Otto vgl. II.2.1.1.

[16] Jung (1963), Carl Gustav: Gesammelte Werke, Bd. 11: Zur Psychologie Westlicher und östlicher Religion, Zürich, S. 5 (§9).

[17] Ebd. heißt es ausführlich: „“Ich möchte deutlich machen, daß ich mit dem Ausdruck ‚Religion‘ nicht ein Glaubensbekenntnis meine. Es ist indessen richtig, daß jede Konfession sich einerseits ursprünglich auf die Erfahrung des Numinosum gründet, andererseits auf ‚pistis‘, auf Treue (Loyalität), Glauben und Vertrauen gegenüber einer bestimmten Erfahrung von numinoser Wirkung und der daraus folgenden Bewußtseinsveränderung; die Bekehrung des Paulus ist ein schlagendes Beispiel dafür. Man könnte also sagen, der Ausdruck ‚Religion‘ bezeichne die besondere Einstellung eines Bewußtseins, welches durch die Erfahrung des Numinosum verändert worden ist.“ – Vgl. Morgenthaler (1997), Christoph: „Carl Gustav Jung (1875-1961)“, in: Michaels, Axel (Hg.): Klassiker der Religionswissenschaft. Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München 1997, S. 232-245, hier S. 241.

[18] Zu dieser Psychoanalyse per Brief vgl. Soden (2019, S. 194).

[19] Zitiert nach Soden 2019, S. 194. – Soden (2019, S. 195) sieht im Frühling 1937, als er ein dreiteiliges Werk („Rekyia“) zu Themen in Verarbeitung von Jungs Theorie plante, „the first inkling of his oratorio A Child of Our Time“.

[20] Zum „symbolische[n] Prozess“, über den eine solche Wandlung möglich wird, vgl. Jung (1935): „Über die Archetypen des kollektiven Unbewussten“, in: Fröbe-Kapteyn, Olga (Hg.): Eranos-Jahrbuch 1934. Ostwestliche Symbolik der Seelenführung, Zürich, S. 179-229, hier S. 224-226; zu seiner Psychologie der Wiedergeburt ausführlich Jung (1976a), Carl Gustav: Gesammelte Werke, Bd. 9.1: Die Archetypen des kollektiven Unbewussten, Olten, S. 127-161; ferner Morgenthaler (1997, S. 240).

[21] Vgl. Morgenthaler 1997, hier bes. S. 241.244.

[22] Zum Konflikt, der sich in auf dem Gebiet der Religionspsychologie bis heute zeigt, z.B. Marks (2018), Matthias: Religionspsychologie, Stuttgart, S. 43.

[23] Wenn Tippett später über die Sicht bzw. Lage eines religiösen Agnostikers schreibt, scheint eben dies der eigenen Perspektive zu entsprechen. Tippett (1995, S. 243) meint: „It is not that the ‛religious′ agnostic is in any better intellectual fettle.“

[24] Vgl. Kemp 1984, S. 36f. – Laut Soden (2019, S. 209) fanden zwei Sitzungen im August und zwei im November 1938 mit Layard statt.

[25] Soden (2019., S. 211f) zitiert aus einem Brief von Tippett an Ruth Pennyman im Oktober 1938, als er eine Familie Arbeitsloser, die aus London evakuiert worden war, bei sich aufgenommen hatte. Tippett schreibt darin von einer alptraumhaften Woche, die all seine Träume zerstört habe. Und Soden (ebd.) berichtet weiter: „Michael had written of military conflict with anticipation verging on excitement, a sense that the war was inevitable and schould be used as a means of arming the proletariat. Nevertheless, he had been anti-war at all costs, an most Trotskyists differed from stalinists be believing that capitulating to Hitler was a necessary spoke in the more important wheel of internal revolution. Later he described, with no concession as to the suffering of the Czechs or the weakness of appeasement, ‛the extraordinary moment of September 1938 when the four men sat round a table, representing the Ideal, the Dream, the way that might have been.ʼ"

[26] Soden 2019, S. 212.

[27] Soden 2019, S, 212f.

[28] In seinem Essay zum Thema „Aspects of Belief“ Tippett (1995, S. 40-44) bedenkt Tippett die Herausforderung einer global verbundenen pluralen Welt für das Eintreten für einen bestimmten Glauben. Hier sieht er im Weiteren die traditionellen Religionen als nicht mehr zeitgemäß an. Dem Theater traut er noch am ehesten Impulse für ein neues, alle umfassendes undogmatisches Ritual zu. Er stimmt W. Strauss (1971) zu, der sagte: „the question is no longer one of reconciling Orpheus and Christ, but one of a world vision that makes the sacret possible at all.“ Strauss (1971), Walter A.: Decent and Return – The Orphic Theme in Modern Literature, Cambridge, S. 12; zitiert nach Tippett (1995, S. 243). 

[29] Vgl. Soden 2019, S. 215f.

[30] Soden 2019, S. 216.

[31] Zu Bachs für den Gottesdienstkomponierten Passionen vgl. Scholz (2015), Gottfried: Bachs Passionen. Ein musikalischer Werkführer, Mainz; zu Händels Messiah vgl Keates (2016).

[32] Vgl. Kemp 1984, S. 36.

[33] Trotsky (1974), Leon: „For Grynszpan, Against Facist Pogrom Gangs and Stalinist soundrels“, in: Ders.: Writings, 1938-1939, New York, S. 191-193. Hier zitiert nach Soden 2019, S. 217.

[34] Soden 2019, S. 218.

[35] Vgl. Soden 2019, S. 215. – Tippett Eltern nahmen jüdische Flüchtlingskinder in ihrem Haus in Somerset auf (vgl. ebd.). Zu den historischen Ereignissen vgl. II.3.3.1.

[36] Tippett 1991, S. 49 (Schreibweise „Grynspan“ im Original).

[37] Vgl. den Band mit genetischem Konvolut und der Endfassung des Romans Horváth (2014), Ödon von: Ein Kind unserer Zeit, hrsg. v. Nicole Streitler-Kastberger unter Mitarbeit von Sabine Edit Braun und Martin Vejvar, in: Kastberger, Klaus (Hg.): Wiener Ausgabe sämtlicher Werke. Historisch-kritische Edition, Band 16, Berlin, Boston. 

[38] Vgl. Soden 2019, S. 216.

[39] Von Horváths Roman handelt von einem jungen Mann, der unter seinen Lebensverhältnissen leidet, von Neid erfüllt beginnt national­sozialistisches Gedankengut anzunehmen und den Krieg zu verherrlichen. Er wird Soldat, verliebt sich, wird an die Front einbezogen, erlebt die Realität der Gewalt, erkennt seinen Irrtum, wird aus Wut auf Ungerechtigkeit zum Mörder und stirbt einsam nachts einen Kältetod. Am Morgen wird er von einer Mutter mit einem Kind gefunden. Der Protagonist, der durchweg als Ich-Erzähler auftritt, richtet – obgleich schon für Tod erklärt – an das Kind seine letzten Worte: „Und wenn du ganz groß sein wirst, dann wirds vielleicht andere Tage geben, und deine Kinder werden dir sagen: Dieser Soldat war ja ein gemeiner Mörder – Dann schimpf nicht auch auf mich. Bedenk es doch: Er wußt sich nicht anders zu helfen, er war eben ein Kind seiner Zeit.“ Vgl. Horváth (2014, S. 522).

[40] Tippett 1991, S. 49f.

[41] Kemp 1984, 150.

[42] Vgl. Kemp 1984, 150-152.

[43] Vgl. Tippett 1991, 50. – Ebd. zitiert Tippett auch aus dem bitter-ironisch gewendeten Gedicht „The Parable of the Old Man and the Young“ von Wilfred Owen zu Abraham, der nicht auf die himmlische Stimme hörte und seinen eigenen Sohn schlachtete, „and half the seed of Europe, one by one.“

[44] Weder Kemp (1984) noch Soden (2019) gehen auf diese von Blunden [1963 [repr. 1931)] hrsgg. persönliche Korrespondenz Owens ein, an die das Oratorium wie Tippetts Konsequente pazifistische Haltung (vgl.) so offensichtliche Anschlüsse zeigt. Tippett (1995, 118.122) selbst verweist auf den Band von Blunden (1931) als Kontext der Werknummern eins und drei des Oratoriums. Vgl. Blunden [1963 (repr. 1931)], Edmund: „Memoir (1931)“, in: Owen [1963 (repr. 1931)], Wilfred: The poems of Wilfred Owen, ed. with a memoir and notes by Edmund Blunden, London, S. 3-41.

[45] Owen [1963 (repr. 1931)], Wilfred: The poems of Wilfred Owen, ed. with a memoir and notes by Edmund Blunden, London.

[46] Blunden 1963.

[47] Owen nach Blunden (1963, S. 25).

[48] Owen nach Blunden (1963, S. 25).

[49] Im Oratorium Numero 16: A Spiritual (vgl. II.4.2.3).

[50] Im Oratorium Numero 13: Chorous of the Self-righteous (vgl. II.4.2.3).

[51] Zur Entstehung von Nationalreligion als eine Art ungleicher Zwilling der Kunstreligion im Anschluss an die Französische Revolution und die gescheiterten Revolutionsbestrebungen 1948/49 vgl. Eßbach (2014), Wolfgang: Religionssoziologie 1. Glaubenskrieg und Revolution als Wiege neuer Religionen, Paderborn, S. 498-560 sowie die Übersicht und Einordnung (Eßbach 2019, S. 3-14).

[52] Vgl. Tippett 1995, S. 235-244.

[53] Nach Sodens (a.a.O., S. 217) Recherche handelt es sich vermutlich um eine Aufführung der Northern Ireland Singers, dirigiert von James Denney, die am 10. Januar 1939 im National-Programm der BBC gesendet wurde.

[54] Tippett 1991, 50.

[55] Ein solches kollektives Leiden ist eine transzendente Größe, der sich der einzelne Mensch ausgesetzt sieht und in diesem Ausgesetzt-Sein als mit anderen verbunden erkennt. Angesichts der Unverfügbarkeit der Leidensursache wird eine Praktik gewählt, welche sich als hilfreich erweist um diese kontingente Situation zu bewältigen. Das entspricht in einer systemtheoretischen Perspektive einer für Religion typischen Funktion (vgl. u.a. Luhmann 1977 und zum Diskurs der Bestimmung von Religion überblickend Pollack 2015: 426f.), hier lässt sich pracxistheoretisch von einer teleoaffektiven Strukturkomponente sprechen. Da es sich auch um ein innerliches Leiden, ein Leiden an der Situation handelt, das thematisiert wird, erhalten Bewältigungsstrategien zugleich eine Dimension, die man ebenso als seelsorglich wie als therapeutisch bezeichnen kann, so dass eben auch eine Nähe zur Psychotherapie gegeben ist, an die Tippett mit seiner von Jung′schen Sicht anschließen kann.

[56] Vgl. Soden 2019, 217.

[57] Es sollte sich bei dieser Aussage nicht um bissige Ironie handeln, sondern um einen Begriff, der an das Erleben tatsächlich mit gewisser Freiheit anschlussfähig ist.

[58] Tippett 1995, S. 112. 

[59] Vgl. Detering (2011), Heinrich: Was ist Kunstreligion? Systematische und historische Bemerkungen, in: Meier, Albert/Costazza, Alessandro/ Laudin, Gérard (Hg.): Kunstreligion. Ein ästhetisches Konzept der Moderne, Band 1: Der Ursprung des Konzepts, Berlin, New York, S. 11-27, hier bes. S. 12. – Ferner vgl. Knapp (2015), Lore: Formen des Kunstreligiösen. Peter Handke – Christoph Schlingensief, Paderborn, S. 9 sowie Abs. I.5.1.5.

[60] Eßbach (2014, S. 453-497) arbeitet aus historischen Intellektuellen-Diskursen die Entstehung eines Typs der Kunstreligion parallel und teils antagonistisch zum Typus der Nationalreligion im Anschluss an die Revolutionserfahrungen Ende des 18. in Frankreich und das revolutionäre Scheitern 1848/49 in Europa heraus, die den starken und zugleich schwankenden Enthusiasmus dieser Zeit gleichsam aufnehmen und stabilisieren. „Bei diesen beiden Religionen [Kunstreligion und Nationalreligion] handelt es sich um schwebende, Irdisches und Göttliches verschmelzende, synthetisierende Religionen.“ (Eßbach 2019, 10). Bei Tippett wäre eine Mischung von Kunstreligion und einer sich im 19. Jh. neu entwickelnden Wissenschaftsreligion zumindest erwägenswert. Vgl. Eßbach (2019, bes. S. 822).

[61] Vgl. Berger/Hock/Klie 2013.

[62] Soden a.a.O., 217. – In Bezug auf „A Child of Our Time“ ist damit die Sicht von Kemp (1984, S. 38f.), vom nachrangigen Einfluss politischer Aktivität auf Tippetts Werk, ein Stück weit infrage gestellt. Vgl. Bullivant 2013. Damit muss ja die künstlerische Qualität, die Kemp zu Recht hervorhebt, nicht infrage gestellt sein.

[63] Inwiefern die jüdischen Menschen, mit denen Tippett Umgang hatte, in der 1930er Jahren offen mit musikalischen Texten christlicher Bedeutung umgingen, wäre zu frage, könnte hier aber allenfalls spekulativ beantwortet werden.

[64] Auch sollte er in seiner Zeit am Morley College von 1940-1951 (s.u.) eine Purcell-Tradition pflegen und mit seinem Weggang von dort neue, freie Formen entwickeln. Vgl. Soden (2019, 388-459). Später sagt er zu „A Child of Our Time“, dass er es im Wissen um das Ausmaß der nationalsozialistischen Taten und der Kriegsführung bis zu Atombombenabwürfen nicht mit einem so positiven Schluss hätte schreiben können (vgl. Soden 2919, S. 346). Andererseits wunderte er sich später über die konservative Form, „its ‛schocking technical conservatism′“, Tippett im Interview mit Prilaux Rainier (Royal Academie of Music), zitiert nach Soden (2019, S.443). 

[65] Kemp 1984, S. 37.

[66] Insgesamt wird hier dem Verständnis der Taufe von Körtner zugestimmt. Vgl. Körtner (2018, S. 553-556).

[67] Zum neuen Menschen über den Weg psychoanalytischer Prozesse vgl. Küenzlen (21994), Gottfried: Der neue Mensch. Eine Untersuchung zur säkularen Religionsgeschichte der Moderne, München, S. 200-225.

[68] Vgl. Tippett 1995, S. 110f.

[69] Vgl. Tippett 1995, S. 110.

[70] Tippett (1995, S. 110) mit integriertem Zitat von Langer (1957), Suzanne K.: Problems of Art, London, S. 85.

[71] Tippett 1998, S.150.

[72] Ein musikgeschichtliches Beispiel für eine durch kontrapunktische Komposition dialogisch ermöglichte Form wäre Bachs Vertonung (BW 131) von Psalm 130, „Aus der Tiefe“, und hier das Solo für Bass und Sopran „So du willst, Herr, Sünden zurechnen“.

[73] Tippett 1995, S. 111, vgl. a.a.O., S. 117-177.

[74] Vgl. Tippett 1995, S. 111.

[75] Vgl. insbesondere Tippetts Opern: „Midsummer Marriage“, „King Priam“, „The Knot Garden“ und „The Ice Break“ sowie das Oratorium „The Mask of Time“.

[76] Kemp 1984, S. 40.

[77] Vgl. Kemp 1984, S. 49.

[78] Tippett hatte das Oratorium Walter Goehr vorgespielt und worauf ihm angesichts der aktuellen Umstände den Rat gab, das Werk in die Schublade zu stecken, was Tippett wörtlich nahm. Vgl. Tippett (1998 S. 96).

[79] Vgl. Kemp 1984, S. 41.

[80] Vgl. Kemp 1984, S. 43f.

[81] Vgl. Kemp 1984, S. 45f.

[82] Vgl. Tippett 1995, S. 67.

[83] Vgl. Soden 2019, S. 318-321.

[84] Matthews (1980, S. 40) zitiert als Pressemitteilung der Times: „Tippett has succeeded to a quite remarkable extent in creating a powerful work out of a contemplation of the evil abroat in the world of yesterday and today. Perhaps beacause he has written his own text in terse, pregnant sentences he has succeeded in combining the force of the particular with the significance of the universal.“

[85] Vgl. Tippett 1995, S. 67.